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Hundejäger töten leise

Hundejäger töten leise

Titel: Hundejäger töten leise
Autoren: Stefan Wolf
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den Diebstahl schon abgestritten.
    „Ausgesetzt?“ Tom hob eine
Braue. „Noch nie wurde ein Hund mit seiner Steuermarke ausgesetzt. Denn wenn er
die trägt, kann man den Besitzer feststellen — logisch, wie!“
    „Steuermarke?“ Tschilke riß die
Augen auf. „Sag bloß, die beiden haben...“Er blickte staunend in den Wagen.
„Mich laust der Affe! Himmel, in der Aufregung vorhin habe ich das gar nicht
bemerkt. Die haben ja tatsächlich ihre Steuermarken am Halsband.“
    „Schön deutlich sogar.
Sozusagen unübersehbar, Tschilke. Zwei junge Dackel mit kostbarem Halsband,
neuer Leine und Hundemarke sind irgendwo festgebunden. Und du erbarmst dich
ihrer, du Schwein. Wolltest wohl deinem Vater einen Gefallen tun, du Hundedieb.
Mich schickt die Eigentümerin. Ich werde ihr empfehlen, dich wegen Diebstahls
anzuzeigen. Leider wird’s nicht nachweisbar sein. Aber vielleicht achtet die
Polizei dann ein bißchen auf dich.“
    „Was?“ brüllte Tschilke. „Einen
Dieb nennst du mich? Verschwinde, du Hampelmann, bevor wir dich wegjagen.“
    Dieser Heldenmut und das ,wir’
sprachen Bände.
    Tom wandte den Kopf. Richtig!
Es nahte Verstärkung für Danny Tschilke. Ein Mann kam durch das Holztor, das zu
den umzäunten Ställen führte.
    Er war vierschrötig und plump,
seine Arbeitskleidung verdreckt. Häufiges Schnapstrinken hatte das rohe Gesicht
aufgedunsen. In den wässerigen Augen stand kein Funke Mitleid. Wie der mit
Tieren umging, konnte man sich vorstellen. Offenbar war er hier Knecht, oder
Tierpfleger, oder Stallbursche — oder wie auch immer er seine Tätigkeit
bezeichnen mochte.
    „Edwin!“ rief Danny. „Hier
braucht einer ‘ne Abreibung. Dieses Bürschchen beleidigt mich.“
    „Sag ihm auch, daß er dir
deinen Schnuller oder deinen Teddybär bringen soll“, sagte Tom. „Oder lutscht
du lieber am Daumen, während Edwin mich verkloppt?“
    „Du hast es gehört, Edwin“,
sagte Tschilke mit — jetzt — zornrotem Gesicht. „Dieser Angeber braucht eine
Abreibung. Die braucht er wirklich! Hau ihm eine rein.“
    Edwin, der Brocken, walzte
heran. Sein Gesicht blieb starr. Er hatte Narben um die Augen. Das rührte von
Schlägen her. Er hatte schon viel eingesteckt in seinem Leben, aber bestimmt
auch viel ausgeteilt. Ein dummer, brutaler Kerl, der vermutlich nur eins
kannte, wenn er sich mit Menschen auseinandersetzte: rohe Gewalt.
    „Wird besorgt, Herr Tschilke!“
Seine Stimme fistelte. Wäre sie angenehmer gewesen, hätte er bei den
Sängerknaben mitmachen können.
    Mit rollenden Schultern näherte
er sich Tom von der Seite.
    „50 Mark, wenn er blutet“,
sagte Danny halblaut, aber voller Haß.
    „Wird gemacht, Herr Tschilke.“
    Tom schüttelte den Kopf. „Du
feiger Hund läßt diesen Dummkopf ins Messer laufen. Sag ihm wenigstens, daß ich
Karateka bin und den ersten Kyu-Grad habe. Vielleicht ahnt er dann, was ihm
blüht.“
    Aber Edwin verstand nur
Bahnhof. Abgeschreckt hätte ihn vermutlich nur die Mündung einer geladenen
Pistole. 50 Mark Prämie standen in Aussicht, und schließlich war das da nur ein
Junge. Und dem sollte die Nase bluten, daß sein Maleranzug gleich wie ein
Metzgerkittel aussah.
    Edwin hob die Faust.
    Tom wandte einen YOKO-GERI —
KE-KOMI an, einen knallharten Fußstoß seitwärts — auf das untere Drittel des
Gegners gerichtet.
    Edwin wurde auf dem Schenkel
getroffen, wie von einem auskeilenden Ackergaul. Die Wucht fegte ihn von den
Füßen wie der Herbststurm das letzte Blatt von der Eiche.
    Mit einem glockenhellen Schrei
— aufgrund seiner Stimme — landete er vor Danny auf dem asphaltierten Boden.
Dort blieb er sitzen und hielt sich den Schenkel.

    „Die 50 Mark solltest du ihm
trotzdem geben“, sagte Tom. „Als Schmerzensgeld. Das Bein wird tagelang weh
tun.“
    Er trat zum Porsche, öffnete
den Schlag und faßte den ersten Dackel am Nackenfell. Der kleine Kerl kläffte.
Tom öffnete den Reißverschluß seines Overalls bis zum Gürtel und schob den
drolligen Welpen hinein: rechts vor die Rippen. Der andere Vierbeiner wurde
links verstaut, dann der Reißverschluß etwas zugezogen.
    Die beiden strampelten. Acht
kleine Pfoten wühlten auf Toms T-Shirt herum. Sie winselten. Er fühlte ihre
warmen Bäuche. Aber raus konnten sie nicht. An der Taille schnitt ihnen der eng
geschnallte Gürtel den Fluchtweg ab, vorn der Reißverschluß.
    Er schob seinen Roller von der
Raststütze, saß auf und ratterte den Weg zurück, den er gekommen war. Die
haßerfüllten Blicke, die ihn
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