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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
Autoren: Joel Rosenberg
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hätte sie zumindest fragen können.
    Ich war diese Strecke noch nie zuvor gegangen, aber ich war schon ein- oder zweimal durch Ollerwell gekommen. »Ollerwell liegt nur wenige Kilometer vor uns auf der anderen Seite des Flusses und noch ein kleines Stück weiter. Wir könnten uns ein paar frische Lebensmittel besorgen. Ich glaube nicht, daß wir noch mehr Forellen fangen können -für gewöhnlich ist um Ollerwell herum alles leergefischt - , aber vielleicht bekommen wir einige Aale oder Barsche aus den Seen weiter oben auf unserem Weg. Kein Rindfleisch - es könnte zwar sein, daß sie welches vorrätig haben, aber die Einheimischen essen selbst nicht viel davon, und wir würden noch tagelang danach riechen. Wir könnten uns den Luxus leisten und Hühnchen kaufen, vorausgesetzt ...«
    »Schsch.« Sie winkte müde ab. »Ich meinte, was werde ich tun, nachdem wir zurückgekehrt sind?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Alles, was du willst, Andy. Außer Magie, wie ich gehört habe.«
    Zum tausendsten Male nahm sie das abgenutzte, ledergebundene Buch aus ihrem Rucksack und schlug es auf.
    Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen und offensichtlich auch vor ihren.
    Selbst wenn sie nicht geweint hätte.
    Manchmal trifft es sich gut: Ein Bauer am Rande einer Stadt hatte ein Feuer brennen und darüber einen fetten Kapaun, der sich am Spieß drehte und köstliche Düfte verströmte, die mit dem Wind fortgetragen wurden. Höchstwahrscheinlich hätten wir in der Stadt einen besseren Handel abschließen können, doch das Brutzeln der knusprigen Haut über den Kohlen veranlaßte mich dazu, mich von einer Holtun-Bieme-Kupfermünze mit Karls Porträt darauf zu trennen. Ich erstand dafür ein riesiges Stück Brust (bitte keine Kommentare) und für Andy eine übergroße Keule. Beides wurde auf einem faustgroßen Laib frisches braunen Brotes serviert, das noch heiß vom Ofen war.
    Ich wartete nicht, bis es sich abgekühlt hatte, und zahlte dafür mit einer verbrannten Zunge. Aber das war es wert gewesen.
    Ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, daß Andy ihren Teil mit Heißhunger und großem Appetit hinunterschlang, nur daß sie erst zu essen begann, als wir das Dorf durchquerten und an einer Reihe schmuddeliger, aus Lehm gebauter Hütten vorbei den Weg zur nördlichen Straße einschlugen.
    Nur noch wenige Tage, dann würden wir die Butterspitze erreichen.
    »Was ist mit dir?« fragte sie.
    Ich antwortete nicht sofort, denn ich brauchte einen Moment, um mir darüber klar zu werden, daß sie unsere Unterhaltung an der Stelle wieder aufnahm, wo wir sie vor Stunden abgebrochen hatten. Ich haßte es, wenn sie das tat.
    »Ich?« fragte ich schulterzuckend. »Ich glaube, ich lasse es lieber eine Weile ruhig angehen und werde mich einige Zeit den Kindern und Kirah widmen. Und du?«
    Sie seufzte. »Ich könnte zurück in den Lehrberuf gehen: Englisch, Grundlagen der Mathematik, das Übliche. Selbst wenn einige der Jüngeren von Heim es besser machen, als ich es könnte. Ich weiß auch nicht.«
    Vielleicht, ganz vielleicht, wenn ich Kirah genügend Geduld und Aufmerksamkeit widmete, würde es möglicherweise mit uns gut gehen. Manchmal ist das Leben ein Kampf; es gibt Zeiten, wo man sich selbst dazu zwingen muß, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, alle Türen hinter sich zu schließen und sich keine Sorgen darüber zu machen, was geschieht, wenn das nicht gut geht. Es verhält sich nämlich folgendermaßen: Man gibt nichts von sich selbst in eine Sache, die einem wichtig ist, sondern man gibt es für einen Menschen, der einem am Herzen liegt. Nach beinahe zwanzig Jahren, die wir zusammen verbracht hatten, war Kirah ein Teil von mir geworden, und ich war nicht bereit, den herzugeben. Lieber hätte ich meinen linken Arm hergegeben.
    Ellegon fand uns in dieser Nacht.
    Ich hielt es für gefährlich, allzu nah an einer Straße zu kampieren, die so breit war, daß man sie im Sternen- und Feenlicht hätte sehen können. Daher hatten wir unsere Hängematten ein gutes Stück abseits der Straße auf einer bewaldeten Anhöhe weit oben in eine riesige alte Eiche gehängt. Es war immer noch hell genug, um sehen zu können.
    Eigentlich war ich es, der die Hängematte befestigte, und eigentlich handelte es sich auch nur um eine einzige. Das Hinaufklettern war für Andy schon schwer genug, aber ich brach ihr die Äste aus dem Weg, um ihr das Hineinkommen zu erleichtern. Es war nicht ganz einfach, aber wir schafften es, sie in die Matte zu bugsieren.
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