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House of God

House of God

Titel: House of God
Autoren: Samuel Shem
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dort mit Sex umgegangen sind. Ohne jede Liebe. Mitten unter den Gomers, den Dauerpflegefällen, mitten unter sterbenden alten und sterbenden jungen Menschen haben wir den Frauen des Hauses übel mitgespielt. Von der zartesten Schwesternschülerin über die Oberschwester der Notaufnahme mit ihren harten Augen bis zu den schrillen Latinas aus der Wirtschaftszentrale und dem Reinigungsdienst, mit ihren klimpernden Armreifen und dem spanischen Kauderwelsch, haben wir sie alle nur für unsere Bedürfnisse ausgenutzt. Ich denke an Runt, den Kleinen, der vom zweidimensionalen Playboy-Sex zu markerschütternden sexuellen Abenteuern mit einer unersättlichen Schwester namens Angel überging – Angel, die, soweit mir bekannt ist, das ganze Jahr über keinen einzigen vollständigen Satz aus richtigen Wörtern zustandegebracht hat. Heute ist mir klar, daß Sex im
House of God
etwas Zynisches, Trauriges, Krankhaftes war, denn wie alles, was wir im
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taten, war auch der Sex ohne Liebe. Für die leisen Töne der Liebe waren wir taub geworden.
    »Komm’ zurück, Roy. Treib’ jetzt nicht wieder dahin ab.«
    Berry. Wir sind beim Essen schon bei den Herzen unserer Artischocken angelangt. In diesem Teil Frankreichs wachsen sie zu beachtlicher Größe. Ich habe sie geputzt und gekocht, und Berry hat die Vinaigrette gemacht. Man ißt hier ausgezeichnet. Oft sitzen wir im Garten unseres Lieblingsrestaurants unter einem von der Sonne durchflimmerten Gitterwerk aus Ästen. Gestärktes weißes Tischtuch, feines Kristall und eine frische rote Rose in einer Silbervase. In der Ecke wartet unser Kellner, Serviette über dem Arm. Seine Hand zittert. Er leidet an senilem Tremor, dem Tremor der Gomers, aller Gomers des vergangenen Jahres. Ich komme zu den letzten Blättern meiner Artischocke – Lila übertönt das eßbare Grün – und werfe sie auf den Abfallhaufen für die Hühner und den glasäugigen Hunde-Gomer des Bauern. Dabei stelle ich mir einen Gomer vor, wie er Artischocken ißt. Unmöglich, es sei denn, sie sind püriert und werden durch die Magensonde verabreicht. Ich entferne die stachligen Haare, das üppige Grün, das den Blütenboden bedeckt, erreiche das Herz und denke zurück an das Essen im
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und an denjenigen, der beim Essen und in der Medizin immer der Beste war, an meinen
Resident,
den Dicken. Der schaufelte sich bei der Mahlzeit um zehn Uhr Zwiebeln, koschere Hot dogs und Himbeereis in den Mund, alles auf einmal. Der Dicke mit seinen »Geboten des
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« und seiner Auffassung von Medizin, die ich anfangs für krank hielt. Nach und nach habe ich jedoch begriffen, daß es die einzig richtige ist. Ich sehe uns – heiß und verschwitzt wie die Helden vom Iwo Jima – über einem Gomer hängen:
    »Sie quälen uns«, sagt der Dicke.
    »Sie haben mich geschafft«, antworte ich.
    »Ich würde mich ja umbringen. Aber die Freude will ich ihnen nicht machen.«
    Und wir fallen uns in die Arme und weinen. Mein fetter Schutzengel, immer zur Stelle, wenn ich ihn brauchte. Aber wo ist er jetzt, wo ich ihn brauche? In Hollywood natürlich, in der Gastroenterologie, bei einem Großen Darmangriff, »im Dickdarm der Filmstars«, wie er zu sagen pflegte. Heute weiß ich, daß sein albernes Gelächter und seine Fürsorge mir durch das Jahr geholfen haben, und auch die Fürsorge der beiden Polizisten aus der Notaufnahme – meine Retter, die alles zu wissen schienen, und das meistens im voraus. Aber obwohl es den Dicken und die Polizisten gab, war das, was im
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mit mir geschehen ist, einfach furchtbar. Ich bin übel zugerichtet worden. Vor meiner Zeit im
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habe ich alte Leute gemocht. Jetzt sind sie keine alten Leute mehr, jetzt sind sie Gomers, und ich mag sie nicht mehr, kann sie nicht ausstehen. Ich gebe mir Mühe, mich zu entspannen, aber es will mir nicht gelingen. Ich gebe mir Mühe zu lieben, aber ich kann nicht, denn ich bin total ausgebleicht, wie ein zu oft gewaschenes Hemd.
    »Wenn du so oft dahin abdriftest, wirst du trotz allem doch wieder zurückgehen«, sagt Berry sarkastisch.
    »Liebes, es war ein schlimmes Jahr.«
    Ich schlürfe meinen Wein. Seit wir hier sind, bin ich sehr oft betrunken. Betrunken am Markttag im Café, wenn der Lärm vom Markt abebbt und in die Bar strömt. Ich schwimme betrunken in unserem Fluß. Mittags ist die Temperatur von Wasser, Luft und Körper gleich, so daß ich nicht weiß, wo der Körper aufhört und das Wasser beginnt. Das
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