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House of God

House of God

Titel: House of God
Autoren: Samuel Shem
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werden.
    Ich war nicht allein im Bett. Berry war bei mir. Unsere Beziehung, die das Trauma meiner Jahre an der Best Medical School überlebt hatte, blühte in reichen Farben, war Lebendigkeit, Lachen, Abenteuer und Liebe. Außerdem waren noch zwei Bücher mit im Bett: das eine ein Geschenk meines Vater, dem Zahnarzt, ein
Internship-
Buch von der Art »Wie rette ich die Welt, ohne mir den Kittel schmutzig zu machen«. Alles über den
Intern,
der in letzter Minute hereinrauscht, die Dinge in die Hand nimmt und forsche Anweisungen bellt, die im Handumdrehen Leben retten. Das andere Buch hatte ich mir selbst gekauft, zum Thema
Wie mache ich was als neuer Intern,
ein Handbuch, in dem alles steht, was man wissen muß. Während ich in diesem Handbuch blätterte, war Berry, die Psychologin ist, mit Freud beschäftigt. Nach einigen Minuten Schweigen grunzte ich, ließ das Handbuch fallen und zog mir die Decke über den Kopf.
    »Hilfe, Hiiilfe«, stöhnte ich.
    »Roy, du bist in einem ganz schön miesen Zustand.«
    »Wie schlimm ist es?«
    »Ziemlich schlimm. Letzte Woche habe ich einen Patienten, der sich so unter der Bettdecke verkrochen hatte, eingewiesen, und der war nicht mal halb so verängstigt wie du.«
    »Kannst du mich nicht auch einweisen?«
    »Bist du krankenversichert?«
    »Erst, wenn ich offiziell mit dem
Internship
angefangen habe.«
    »Dann mußt du in eine staatliche Anstalt.«
    »Was soll ich machen? Ich habe alles versucht, und ich fürchte mich immer noch zu Tode.«
    »Versuch es mit Verleugnen.«
    »Verleugnen?«
    »Ja. Eine primitive Schutzmaßnahme. Leugne, daß es existiert.«
    Also versuchte ich zu leugnen, daß es existierte. Obwohl ich damit nicht sehr weit kam, half mir Berry durch die Nacht und den nächsten Morgen. Am
BM -Deli-
Montag half sie mir, mich zu rasieren, mich anzuziehen und fuhr mich in die Stadt zum
House of God.
Irgend etwas hinderte mich daran, aus dem Auto zu steigen, also öffnete Berry meine Tür, lockte mich heraus und drückte mir einen Zettel in die Hand, auf dem stand »Warte um 5  Uhr hier auf Dich. Viel Glück. In Liebe, Berry.« Sie küßte mich auf die Wange und fuhr davon.
    Ich stand in der dampfenden Hitze vor dem hohen urinfarbenen Gebäude, das ein Schild als
The House of God
auswies. Eine Abrißbirne zerschmetterte einen der Flügel des Hauses, um, wie auf einem anderen Schild erklärt wurde, Platz für den neuen »Zock-Flügel« zu schaffen. Ich spürte die Abrißbirne in meinem Schädel hin und herschwingen, betrat das
House
und suchte den »Festsaal«.
    Der
Chief Resident
namens Fishberg, genannt der Fisch, hielt soeben die Begrüßungsansprache, und ich setzte mich. Der Fisch war klein, rundlich, blankgewienert und hatte gerade seine Fachausbildung in Gastroenterologie abgeschlossen, einer Spezialität des
House of God.
Die Position des
Chief Resident
befand sich in der Mitte des Eiscremekegels, und der Fisch wußte, wenn er in diesem Jahr gute Arbeit leistete, würde er von den oberen Schleckern mit einer festen Anstellung belohnt, also zum festangestellten Schlecker werden. Er stellte das Verbindungsglied zwischen den
Interns
und allen anderen dar, und äußerte die Hoffnung, »daß Sie mit all Ihren Problemen zu mir kommen werden«. Dabei glitt sein Blick zu den höheren Schleckern, die am Honoratiorentisch aufgereiht saßen. Schlau und schleimig strahlte er. Zu fröhlich. Ohne Gespür für unsere Angst. Meine Konzentration ließ nach und ich sah mich nach den anderen
Interns
im Saal um: Ein fescher Schwarzer hing lässig in seinem Stuhl. Gelangweilt bedeckte er mit einer Hand seine Augen. Noch eindrucksvoller war ein riesiger Kerl mit einem buschigen roten Bart. Er trug eine schwarze Lederjacke und eine durchgehende Sonnenbrille, ein schwarzer Motorradhelm baumelte ihm am Finger. Total abgefahren.
    »… so bin ich Tag und Nacht erreichbar. Und jetzt ist es mir eine große Freude, Ihnen Dr. Leggo, den
Chief of Medicine,
vorzustellen.«
    Aus einer Ecke kam mit steifen Schritten ein dünner, vertrocknet wirkender kleiner Mann zur Mitte des Rednertisches. Er hatte ein abstoßendes, violettes Muttermal auf einer Seite des Gesichts und trug einen weißen Kittel von Metzgerlänge. Ein langes, altmodisches Stethoskop wand sich über seine Brust, seinen Bauch hinunter und verschwand geheimnisvoll in seinen Hosen. »Wohin mag dieses Stethoskop gehen?« schoß es mir durch den Kopf. Er war Nephrologe: Nieren, Ureter, Blasen, Urethra und Dauerkatheter, des gestauten
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