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hot directions (German Edition)

hot directions (German Edition)

Titel: hot directions (German Edition)
Autoren: Juan Santiago
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brummen oder so. Mein Blick trifft zufällig den meines Gegenübers, und unsere Lippen finden sich aufs Neue. War unser Kuss vorhin voll geballter Lust, so ist er nun das krasse Gegenteil: Unschuldig und doch voller magnetischer Energie. Er muss irgendwo einen Minuspol in sich haben, sonst würden sich meine Lippen wohl kaum so sehr von seinen angezogen fühlen, dass sie sich schon wieder berühren müssen. Mein Herz pocht schneller und schneller, während seine Zunge völlig gelassen meinen Mund erkundet. Nach einer Ewigkeit löst er sich ganz von mir, geht in die Knie, zieht meine Hose nach oben über die Hüften und lässt seine nachfolgen. Dann streift er sich sein T-Shirt über und grinst:
»Das hattest Du noch bei mir gut - und jetzt sei mir nicht böse... ich habe gleich ein Date!« Mit diesen Worten schnappt er sich seinen Kittel und verlässt die Kabine. Für einen Moment flammt ein Gefühl der Eifersucht in mir auf - aber das geht nicht, das kann, das darf nicht sein! Er ist nur ein Fick, zumal ich seinen Namen immer noch nicht weiß, und daher völlig unwichtig. Mein Gefühl sagt etwas anderes, und so verlasse ich die Kabine fast fluchtartig, aber natürlich ist der Vorraum leer, und würde mich das sanfte Ziehen in meinen Eingeweiden nicht an den Sex erinnern, so wäre ich fest davon überzeugt, einen Tagtraum gehabt zu haben.

Kapitel 3
    Trotzdem, irgendwas ist komisch. Ich sitze in der Cafeteria vor einer Tasse Kaffee und versuche nun zum vierten Mal, in Ruhe und vor allem ohne Zwischenfälle mein flüssiges Frühstück zu mir zu nehmen und vor allem meine Gefühlswelt wieder zu restaurieren. Ich hoffe nur, der Schwarzhaarige kommt nicht ausgerechnet jetzt herein, ich weiß nicht, ob ich dann noch in der Lage bin, die Pathologie aufzusuchen. Mal abgesehen davon, dass sich bei dem Gedanken an den Kleinen schon wieder etwas in meiner engen D&G-Jeans regt, habe ich ziemlich verrückte Ideen in Bezug auf den: Ich würde ihn gerne mal rannehmen. Ich wüsste wirklich gerne, wie es sich anfühlt, wenn ER zur Abwechslung mal passiv wäre. Ich meine, ich weiß, wie es sich anfühlt, aktiv zu sein, das war ich früher regelmäßig... aber die passive Rolle ist einfach genießerischer... und ich genieße mein Leben nun mal. Ich sag es ja, ich brauche eine Pause. Zeit zum Frühstücken.

    An der Frühstückstheke schaue ich unauffällig an meinem Oberkörper nach unten. Meine Bauchmuskeln und mein Sixpack sind besser in Form denn je, ist ja auch kein Wunder, so viel Sex, wie ich habe. Also kann ich mir durchaus ein Joghurt und eine Banane leisten, beschließe ich. Was für ein fürstliches Mahl. Dazu trinke ich noch eine Tasse Kaffee und fühle mich dann so gestärkt, dass mich beschwingten Schrittes auf den Weg in die Pathologie mache. Wie erwartet sitzt Frau Müller am Empfang, die mich ohne Ausweiskontrolle einlässt und direkt in Saal Nummer 3 schickt. Dort finde ich Herrn Meyer wieder, der kalt und wächsern mit einer Nummernkarte am rechten großen Zeh auf einem Operationstisch liegt. Die Stichwunde ist frisch vernäht, und Herr Meyer scheint fertig zur Abholung für das Bestattungsinstitut zu sein. Sonst ist niemand zu sehen. Eher routinemäßig sehe ich mich auf dem Schreibtisch um, aber da ist nur die Visitenkarte von »Rainbow-Bestattungen« aus Hanau zu finden. Vermutlich wird »Smallcock30« echt schwul beerdigt, mit Regenbogenschleifen am Sarg und Kranzschleifen a la »Ich werde Deine enge Kiste echt vermissen. Dein Rolf« oder »Nun muss ich mir meinen Sekt selber bezahlen, machs gut, Dein Kevin«. Dazu ein paar Songs von Marianne Rosenberg und »I will survive« von Gloria Gaynor, denn die schwule Hymne ist einfach Pflicht. Der Leichenwagen trägt einen Regenbogenwimpel an der Antenne statt des schwarzen Tüllstreifens und alle Gäste müssen als Drag Queens erscheinen. Anschließend gehen alle zum Totenkaffee ins Pulse und hetzen bei Kaffee und Blechkuchen über die Eskapaden des Toten... ein typischer Tucken-Abschied.

    Kopfschüttelnd werfe ich einen letzten Blick auf den Toten, als mich jemand Fremdes an der Schulter berührt. Vor Schreck zucke ich zusammen, und reiße die Augen weit auf, als ich - schon wieder! - meinem schwarzhaarigen Schnuckel gegenüber stehe.

    »Du?«, fragt er mich verwundert und scheinbar ein kleines bisschen ärgerlich. »Was suchst Du denn hier?«
    »Die gleiche Frage könnte ich Dir auch stellen. War Dein Date so schnell vorüber?« Der Kleine legt seine Stirn in
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