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Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Titel: Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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eine Weile bloß da, umgeben von alten und uralten Büchern, die den Geist des Vergangenen atmeten. Marco ließ seine Blicke einmal mehr über die Reihen schweifen und versuchte zu verstehen, welchem System Evi bei der Einordnung gefolgt war. Aber auch hier ließ sich nicht erkennen, was seine Gastgeberin bezweckte, wenn sie einen Atlanten über die Kronländer Österreichs neben ein technisches Handwerksbuch aus dem 19. Jahrhundert stellte, und daneben die »Verbotenen Scripten denk- unt merk-wuerdiger Unfaelle in den Spitteln zu Wien«.
    Er fühlte sich müde und wäre beinahe eingeschlafen, als Evi ihn an der Hand nahm und sanft hochzog. »Komm mit, ich zeige dir meine Schätze!«
    Sie nahm ihn mit sich, riss Marco aus seiner Lethargie. Es ging quer durch die Bibliothek und dann einen Gang entlang, der mit einem Mal einen Knick machte und in einer verglasten Galerie mündete, durch deren Fenster er den Brunnen im Zentrum des Gartens bewundern konnte, links von ihnen. Er war beleuchtet, das Wasser sprudelte nach wie vor aus Steinmündern, das Rot mehrerer Goldfische war gut zu erkennen.
    »Du musst wirklich steinreich sein«, sagte er und hätte sich im selben Moment für seine Bemerkung am liebsten in die Zunge gebissen. Ging’s denn noch blöder und noch naiver?
    »Ja, ich bin steinreich«, wiederholte Evi. Sie sagte es ohne sonderliche Begeisterung. »Ich habe viel getan, um zu erreichen, was ich heute besitze. Und weißt du was? Es ist mir nicht sonderlich viel wert. Es gibt bloß ein paar Dinge, die mir heute noch Spaß machen.«
    »Sex zum Beispiel?«
    Evi kicherte. »Oh ja. Unter bestimmten Bedingungen gehört Sex dazu.«
    »Was meinst du mit besonderen Bedingungen?«
    »Der Tag muss passen, der Ort, der Partner, meine Stimmung. Es ist eine Kombination von vielen Faktoren.«
    »Und wie ist die heutige Nacht für dich? Ist alles so, wie du es gerne hast?«
    »Zum Großteil, ja. Aber ich hoffe, dass es noch besser wird. Später.«
    »Du willst noch einmal?«
    »Einmal?! Möchtest du mir etwa sagen, dass du bereits genug hast?«
    »Ich bin keine Maschine, Evi …«
    »Mach dir bloß keine Sorgen. Ich bringe dich schon wieder in Fahrt. Glaub mir.« Sie sagte es mit unverrückbarer Bestimmtheit.
    Evi nahm einen schweren Schlüsselbund zur Hand und entsperrte eine Tür zu ihrer Rechten. Sie musste sich gehörig dagegenstemmen, bevor sie nach innen aufschwang.
    Kaltes Licht aus Neonröhren flackerte auf. Marco schloss geblendet die Augen, und als er sie wieder öffnete, erblickte er Dutzende, ja, Hunderte gläserne Schaukästen, die im Saal verteilt waren.
    »Ich war lange Zeit Hobby-Entomologin«, sagte Evi. »Erinnerst du dich denn nicht daran, dass ich mich schon damals für Insekten interessierte?«
    »Leider nein.«
    »Schade. Ich war in meiner Jugend von Hautflüglern, Spinnen, Käfern und Wanzen fasziniert.« Evi hob abwehrend die Arme. »Ich weiß, was du sagen möchtest, Marco. Dass Insekten grausig wären. Dass man sie mit Aasfressern und Zerstörung verbindet. Aber ich habe immer nur die Perfektion wahrgenommen, die ihnen zu eigen ist. Über Jahrmillionen hinweg passierten Anpassungsmutationen. Insekten stellten sich immer wieder auf veränderte Lebensbedingungen ein und überlebten alle Katastrophen. Beziehungsweise glaubt man heute, dass sie die Gewinner jeglicher großer Umwälzungen auf der Erde sind und waren.«
    »Das mag ja alles sein«, sagte Marco, »aber ich sehe nun mal bloß mehrbeinige Krabbeltiere, die einen stechen, piesacken oder ärgern. Und ich wüsste beim besten Willen nicht zu sagen, was mir an ihnen gefallen könnte.«
    Evi zuckte mit den Schultern. »Du reagierst wie neunzig Prozent aller Menschen. Ihr haltet euch zu sehr an Äußerlichkeiten fest und überseht das Wesentliche. Was ein Wesen wirklich ist, welchen Nutzen es erfüllt, was seinen Platz in der Gesellschaft ausmacht.«
    Sie führte ihn an unzähligen Tischreihen vorbei, in deren Schaukästen Insekten lagen, nebeneinander, wie aufgebahrte Soldaten. Eines sah wie das andere aus, und doch unterschieden sie sich durch winzige Merkmale.
    »Die meisten Insekten lassen sich sehr gut aufbewahren. Die Außenskelette halten insbesondere lange, wenn man die Tiere mit Ethylacetat tötet und anschließend konserviert. – Siehst du diese winzigen Minuziennadeln? Nein? Sie halten die kleinsten Insekten in Form, sodass man sie auf Pappplatten und mit größeren Nadeln aufstechen kann. Man braucht gute Augen und ruhige Hände, um
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