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Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe

Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe

Titel: Hornblower Odyssee 01 - Diesseits Der Liebe
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sich mit der Hand durchs Haar und bemühte sich, auch ohne ihre Brille etwas zu erkennen.
    „Der Wetterbericht müsste gleich ... Caleb?" Sie neigte den Kopf zur Seite, als sie Cals Miene sah. Der Mann schien sprachlos vor Verblüffung. „Man könnte ja meinen, Sie hätten in Ihrem ganzen Leben noch nie einen Fernsehapparat gesehen."
    „Was?" Er nahm sich zusammen und wünschte sich, er hätte noch mehr Brandy. Ein Fernsehapparat. Natürlich hatte er von solchen Geräten gehört - etwa so, wie Libby von alten Planwagen gehört hatte. „Ich ahnte nur nicht, dass Sie einen besitzen."
    „Wir sind hier rustikal", setzte sie ihm auseinander, „aber nicht primitiv." Als Cal daraufhin auch noch zu lachen begann, schaute sie ihn ein wenig gereizt an. „Vielleicht sollten Sie sich doch lieber wieder hinlegen."
    „Ja." Und wenn ich dann wieder aufwache, dachte er, dann wird sich herausstellen, dass das alles nur ein übler Traum war. „Dürfte ich diese Zeitungen mitnehmen?"
    Libby half ihm aus dem Sessel. „Ich weiß nicht recht, ob es gesund ist, wenn Sie lesen."
    „Ich glaube, das wäre meine geringste Sorge." Er stellte fest, dass sich der Raum diesmal nicht um ihn drehte. Trotzdem war es angenehm, den Arm um Libbys Schultern legen zu können. Das sind starke Schultern, dachte er. Starke Schultern und ein weicher Duft. „Libby, wenn ich aufwache und erkenne, dass das alles nur eine Illusion war, dann sollen Sie schon jetzt wissen, dass Sie der erfreulichste Teil dieser Illusion waren."
    „Sehr freundlich."
    „Ich meine es ernst." Cals geschwächte Kondition hatte dem Brandy nichts entgegenzusetzen, und gegen den langsam entschwindenden Verstand war wohl auch nicht viel zu machen. „Der weitaus erfreulichste Teil."
    Libby hatte keine Mühe, Cal ins Bett zu verfrachten, aber während der ganzen Aktion löste er seinen Arm nicht von ihren Schultern, und auf diese Weise hielt er sie so nahe, dass er ihre Lippen mit seinen ganz leicht berühren konnte. „Der allererfreulichste Teil", bekräftigte er.
    Sie zuckte eilig zurück. Im nächsten Moment war Caleb Hornblower eingeschlafen, und Liberty Stones Herz hämmerte.
    Wer war Caleb Hornblower? Diese Frage lenkte Libby an diesem Abend immer wieder von der Arbeit ab. Die Kolbari-Insulaner erschienen ihr nicht halb so interessant wie ihr unverhoffter und verwirrender Gast.
    Wer also war der Mann, und was sollte sie mit ihm machen? Das Dumme war, sie hatte eine ganze Liste unbeantworteter Fragen, die sich auf ihren merkwürdigen Patienten bezogen. Libby war ganz groß im Listenaufsteilen, und außerdem kannte sie sich selbst gut genug, um zu wissen, dass alle ihre Organisationstalente von ihrer Arbeit beansprucht wurden.
    Wer also war der Mann? Warum war er um Mitternacht durch ein Gewitter in den Bergen geflogen? Woher kam er? Wohin war er unterwegs gewesen? Warum hatte ihn ein simples Taschenbuch mit Panik erfüllt? Warum hatte er sie geküsst?
    Hier machte Libby einen Punkt. Die letzte Frage war nicht wichtig. Sie war nicht einmal sachdienlich. Cal hatte sie, Libby, ja überhaupt nicht richtig geküsst, und außerdem war es nicht von Belang, ob richtig oder nicht. Es war schließlich nur ein Ausdruck seiner Dankbarkeit gewesen.
    Libby kaute auf ihrem Daumennagel herum. Ja, Caleb Hornblower hatte ihr nur zeigen wollen, dass er ihr dankbar war. Selbstverständlich wusste sie, dass ein Kuss eine eher flüchtige Geste war oder sein konnte. Er gehörte zur westlichen Kultur. Über die Jahrhunderte hinweg war er zu etwas Bedeutungslosem geworden wie ein Lächeln oder ein Handschlag. Ein Kuss war der Ausdruck der Freundschaft, der Zuneigung, der Sympathie, der Dankbarkeit. Und des Verlangens. Libby biss noch heftiger auf ihren Daumennagel.
    Natürlich kannten nicht alle Gesellschaftsformen den Kuss. Viele Stammeskulturen ... Wem halte ich hier eigentlich Vorträge? fragte sie sich. Und Nägel kaue ich auch noch. Ein sehr schlechtes Zeichen!
    Sie musste jetzt diesen Caleb Hornblower aus ihrem Kopf verbannen und etwas gegen ihren knurrenden Magen tun. Libby stand auf. Voraussichtlich würde sie heute ohnehin mit ihrer Arbeit nicht mehr vorankommen. Da konnte sie ebenso gut in Ruhe etwas essen.
    Da Calebs Zimmer dunkel war, ging sie daran vorbei. Sie nahm sich vor, nach ihrem Patienten zu schauen, wenn sie wieder zurückkam. Für seine Genesung war Schlaf jetzt zweifellos dienlicher als eine Mahlzeit.
    Als sie die Treppe hinunterstieg, hörte sie entferntes Donnergrollen.
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