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Holst, Evelyn

Holst, Evelyn

Titel: Holst, Evelyn
Autoren: Der Liebesunfall
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werde.“
    Mit diesen Worten war sie aufgestanden, Minuten später sah er die Rücklichter ihres Cabriolets vom Grundstück fahren. Auch eine Antwort, dachte er und konnte einen leichten, tieftraurigen Zynismus nicht unterdrücken, als er sich sein Weinglas wieder vollschenkte. Im Laufe des Abends würde er diese und eine zweite Flasche leeren und völlig betrunken in das Bett fallen, das ihm Uschi inzwischen im Gästezimmer bezogen hatte. Nur noch Vergessen. Nur noch Schlafen.
    Was er nie erfahren würde: Marion war zu ihm gefahren, zu Ludwig und hatte die Nacht mit ihm verbracht. Es waren Stunden voller Zärtlichkeit und Schuldgefühl, denn Ludwig und Hendrik kannten sich seit dem Kindergarten, waren einmal unzertrennliche Freunde gewesen, es war unverzeihlich, was sie ihrem Mann antat. Und doch konnte sie nicht anders. Sie brauchte Wärme, Zärtlichkeit und Trost und die fand sie nicht mehr bei ihrem Mann. Sie brauchte einen Mann, den sie nicht hassen musste.
    „Ich liebe dich, Marion“, hatte Ludwig gesagt und ihren ganzen Körper mit seinen Küssen bedeckt. „Ich habe dich immer geliebt, seit ich dich zum ersten Mal mit Hendrik gesehen habe. Erinnerst du dich?“
    Ja, ich erinnere mich, dachte Marion, als sie sich vor ihren wandhohen Jugendstilspiegel setzte und sich für das Treffen mit Hendrik schminkte. Sorgfältig zog sie ihre etwas dünnen Augenbrauen nach und tupfte Rouge auf ihre blassen Wangen. „Mein bester Freund, wir sind sozusagen an der Hüfte zusammengewachsen“, so hatte Hendrik ihn damals vorgestellt, und sie hatte ihn gemustert und gedacht: Hhm, auch nicht schlecht, unter anderen Umständen könnte er mir gefährlich werden. Aber diesen Gedanken hatte sie sofort verdrängt, denn sie war keine Frau, die leichtfertig mit den Gefühlen von Männern umging. Doch es war ihr schwergefallen, die wohltemperierte Frau seines besten Freundes zu spielen, ihn freundlich anzulächeln, wenn sie beim Tennisdoppel verloren hatten, er sie zum Trost in die Arme nahm und sie sein wild klopfendes Herz unter seinem verschwitzten Hemd spürte, wenn er beim gemeinsamen Dinner neben ihr saß und sie die blonden Härchen auf seinen Unterarmen mit ihrer Haut fühlen konnte. Doch sie hatte widerstanden, ihrer Ehe zuliebe. Er hatte es ihr nicht leicht gemacht.
    Doch nach dem Tod von Isabell galten andere Spielregeln. Und obwohl sie Hendrik versprochen hatte, ihn nicht zu verlassen, hatte sie immer mehr das Gefühl, auch ihrem eigenen Glück verpflichtet zu sein. Was soll ich tun, dachte sie verzweifelt, wie soll ich weiterleben?
    Sie stand auf und ging in ihre Ankleidekammer, in der Uschi das Kleid für diesen Abend bereits gebügelt und zurechtgelegt hatte. Es war ein sehr schmal geschnittenes, königsblaues Kleid, elegant und sexy zugleich. Marion lächelte mit traurigen Augen. Ja, sie wollte schön sein für ihren Mann, wenn sie ihn verließ.

4. Kapitel
    Marius hatte sich sehr viel Mühe gegeben, das sah Leonie sofort, als sie die gemütliche Wohnküche seines Reihenendhauses am Stadtrand betrat. Für seine Verhältnisse war sie fast zwanghaft gut aufgeräumt, das sonst dort verstreute Spielzeug, Bücher, Kleidung, alles weg. Leonie vermutete, dass er alles in einen blauen Müllsack gestopft und auf den Balkon geschmissen hatte, aber da es nicht ihre Wohnung war, konnte sie ganz entspannt darüber lächeln. „War die Putzfrau da?“, fragte sie schelmisch, während aus dem Kinderzimmer das laute, fröhliche Kichern ihrer Kinder schallte. „So sauber hab ich deine Küche noch nie erlebt.“
    Wenn sie wüsste, dachte er zärtlich und schob ihr ein Weizenbier über den Küchentisch, wenn sie wüsste, dass ich mir extra den Tag freigenommen habe, um meine Wohnung auf Hochglanz zu bringen, dass ich mit einer alten Zahnbürste die Kacheln geschrubbt und mit einem Lappen in jede Ecke gegangen bin. Tja, was wäre denn, wenn sie wüsste? Würden dann ihre Augen weich werden und sehnsüchtig, würde sie ihn zärtlich anschauen, würde sie ihn endlich küssen? Er riss sich zusammen. Er wollte sich nicht lächerlich machen.
    „Wieso?“, tat er stattdessen lässig und entkorkte seine Flasche mit den Zähnen, weil er wusste, dass sie das lustig und nicht unappetitlich fand, dann rollte er sie fachmännisch in den Händen und schenkte ein. „Bei mir ist es doch immer picobello.“ Sie lachte, laut und fröhlich und hatte keine Ahnung, wie außerordentlich kussfreundlich sie leider dabei aussah. Und nichts auf dieser Welt
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