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Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)

Titel: Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Autoren: Jorge González
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weil ich das weiß, hatte ich mich in Gedanken auf diesen Moment vorbereitet. Ich wollte ganz für meine Mutter da sein und auf keinen Fall weinen. Also stand ich lachend auf, ging ihr entgegen und sagte: »Maaamaaaa!«
    » Dios mío , mein Gott. Kind, du bist ja schon da, niño «, sagte sie immer wieder und drückte und küsste mich dabei.
    » Claro que sí , na klar, Mama, wir müssen doch schauen, was mit deinem Popo ist«, scherzte ich, weil mein Vater ihr immer Komplimente wegen ihres Popos machte. Ich wollte sie zum Lachen bringen und ihr Kraft und Unterstützung geben – und mir vielleicht auch.
    Sie wurde noch am gleichen Tag operiert. Die ganze Familie, mein Vater, meine Schwester, alle elf Geschwister meiner Mutter und ein paar von deren Kindern warteten in der Zwischenzeit draußen. Beinahe wäre sie gestorben bei der OP, weil ihr Herz und ihr Kreislauf schlecht auf das Narkosemittel reagierten. Die Ärzte wollten den Eingriff fast stoppen und die Wunde wieder zumachen, so schlimm stand es um sie. Der Tumor war fast elf Zentimeter groß und wucherte in einem rasanten Tempo. Da, wo meine Mutter die ganze Zeit dachte, sie hätte zugenommen, breitete sich in Wirklichkeit das Geschwür aus. Zum Glück hatte ich meine Cousine vor der Operation beschworen: »Egal, was passiert, der Tumor muss weg.« Also beschlossen sie und die anderen Ärzte weiterzumachen.
    Während der ganzen Zeit lief ich unruhig vor der OP-Tür hin und her. Bis meine Cousine endlich herauskam und sich die OP-Haube vom Kopf zog. Ich konnte in ihren Augen lesen, dass etwas schiefgegangen war. Sie sagte nur: »Jorge, wir haben alles getan, was wir konnten. Wir hoffen, sie kommt durch, aber es sieht nicht gut aus.«
    Es war furchtbar, diese schlechten Nachrichten meiner Familie zu überbringen, die draußen wartete. Alicia, die sehr an ihrer Oma hing, weinte so heftig, dass sie in Ohnmacht fiel. Mein Vater, mein Bruder und meine Schwester, die Tanten, sie alle waren wie gelähmt, denn meine Mutter war mit ihrer Liebe und Fürsorge für die ganze große Familie ein Fixpunkt.
    Nach der Operation kam meine Mutter auf die Intensivstation. Sie lag im Koma, und die Ärzte hatten keine große Hoffnung, dass sie es schaffte. Wenn du so etwas hörst, dann bist du am Boden zerstört. Aber ich wollte stark sein für meine Mutter und auch für meine Cousine. Sie ist die Tochter von Tante Olga, der jüngsten Schwester meiner Mutter. Meine Mama hatte Olga praktisch großgezogen. Bis sie zwölf Jahre alt war, dachte sie, meine Mutter sei ihre Mama. Meine Cousine hatte deshalb schon als Kind ein sehr enges Verhältnis zu meiner Mutter und liebte wie sie von klein auf schöne Kleider und Schminke. Sie trug sogar eine Blume im Haar, weil meine Mutter das so machte. »Wenn ich mal groß bin«, sagte sie dann immer, »will ich auch so schön sein wie meine Tante Cuca.« Sie hing genauso an meiner Mutter wie ich, und ich sah, wie sehr sie gerade litt. Deshalb wollte ich nicht schwach sein. Ich versuchte, sie nicht nur als Ärztin zu betrachten, die alles für ihre Patientin tat, sondern auch als die kleine Cousine, der es fast das Herz zerriss.
    Während meine Mutter im Koma lag, setzte ich alle Hebel in Bewegung, damit sie die bestmögliche Behandlung bekam. Denn zu der Zeit war die medizinische Versorgung längst nicht mehr so gut, wie vor 1985, als ich Kuba verlassen hatte. Die Ärzte, die nach wie vor sehr gut ausgebildet waren, mussten unter unglaublichen Bedingungen arbeiten – meine Cousine operierte oft bis zu zwölf Patienten am Tag, was eigentlich gesetzlich verboten ist. Und manchmal konnte gar nicht operiert werden, weil es keine Plastikhandschuhe gab oder weil der Strom ausfiel. Also habe ich versucht, mit kubanischen Dollars einzukaufen, was fehlte. Und ich besorgte für die Ärzte zu essen und zu trinken, denn das war das einzige Dankeschön, das ich ihnen machen konnte.
    Meine Mutter brauchte zum Beispiel eine Magensonde, die es nicht gab. Also fuhr einer der Ärzte mit mir in ein Lager, wo man so etwas bekommen konnte. Nach Stunden hatten wir endlich gefunden, was wir suchten. Der Arzt kam deshalb sogar zur Geburtstagsfeier seines einjährigen Sohnes zu spät. Aber er wollte meine Mutter nicht im Stich lassen. Damit er ihren Zustand in der Nacht überwachen konnte, begleitete ich ihn zum Kindergeburtstag, wartete dort eine Stunde auf ihn und fuhr ihn anschließend wieder ins Krankenhaus zurück – sonst wäre er bei den schlechten kubanischen
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