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Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Asa Anderberg Strollo
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krummen Rücken, ein stämmiger Körper in verwaschenen hellen Jeans, darüber eine dunkle Baseballjacke. Um den Hals trägt sie, genau wie auf dem Klassenfoto von der Neunten, ein Palästinensertuch. Mein Gott, das macht es doch erst richtig unwahrscheinlich, denn wer sieht schon all die Jahre so aus wie auf einem fünf Jahre alten Klassenfoto?
    Trotzdem. Jonna kann kaum atmen. Sie drängelt sich durch, tritt anderen auf die Füße und schnaubt nur, wenn jemand sich beschwert. Dann stürzt sie hinter dem Mädchen her, das gerade die Treppe hinuntergeht, und zwar mit bedächtigen und schweren Schritten, auch die erinnern Jonna an Angelika Andersson.
    »Hallo!«
    Könnte sie sich nicht kurz umdrehen?
    Aber nein, sie hört Jonna nicht einmal, weil es rundherum so laut ist. Und wenn Jonna versucht, rasch vorwärtszukommen, dann kriegt sie es mit den Einkaufstüten, den Hundeleinen und den unberechenbar herumlaufenden Kindern der Leute zu tun.
    Na prima: Als Jonna unten auf dem Platz angekommen ist, hat sie das Mädchen aus den Augen verloren. Sie sieht sich um, aber da sind nur viele Marktstände und zahllose andere Menschen, die dort herumirren und einkaufen. Seufz. Sie sieht angestrengt in alle Richtungen, doch schließlich muss sie aufgeben.
    Enttäuscht und verwirrt steigt sie die Treppe wieder hinauf. Ob es wirklich Angelika war?
    *
    Etwas später steht sie in einem Geschäft für Kinderkleidung an einer Straßenecke an der Norrlandsgatan. Das hier ist für heute die absolut letzte Chance, einen Job zu finden, die meisten Läden in der Innenstadt haben bereits geschlossen, und dieser hier ist offenkundig drauf und dran, dasselbe zu tun.
    »Das habe ich nicht zu entscheiden …« Die Verkäuferin schüttelt den Kopf und weist auf die Geschäftsleitung hin. Es sind immer noch Kunden im Laden, es können aber keine mehr hineinkommen.
    »Können Sie Ihren Chef nicht eben fragen?«
    »Die Chefin ist in Urlaub, komm im Januar noch mal wieder.«
    »Aber im Januar ist das Geschäft tot, oder? Da kriegt man doch keinen Job?«
    Jetzt bedenkt die Verkäuferin Jonna mit einem Blick, der ihr bedeutet, dass man auch keine Arbeit kriegt, wenn man hier herumjault, und dann wendet sie sich einer Kundin
zu.
    Jonna setzt sich still auf einen Hocker und wartet. Bald muss sie wieder in die Kälte hinaus, ohne dass sie wüsste, wohin sie sich als Nächstes wenden soll. Wohin kann sie gehen? Wo soll sie schlafen? Es war ein langer Tag, sie fühlt sich wie ein Zombie, aber am meisten enttäuscht ist sie, weil so wenig geklappt hat, weil sie in den vergangenen Stunden so wenig hingekriegt hat. Kein Job. Kein Dach über dem Kopf. Sie stützt den Kopf in die Hände und zählt Striche auf dem Fußboden, Strumpfpackungen in einer Kiste und Schuhe, die in der Schlange vor der Kasse stehen. Fünf Paar, zehn schwarze Schuhe in doppelten Reihen vor dem minimalistischen weißen Tresen, und als die Reihe auf nur noch zwei Schuhe geschmolzen ist, hebt sie den Kopf und sieht auf.
    »Darf ich bitte mal die Toilette benutzen?«
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen.«
    Dieser Satz klingt freundlich, ist aber nicht an Jonna gerichtet, die Verkäuferin eilt hinter der Kundin her, um ihr die Tür aufzuhalten. Jonna schweigt. Bisher ist niemandem zur Tür hinaus geholfen worden, aber nun scheint es offensichtlich notwendig. Oder nicht? Sie sieht hinüber und bemerkt, dass die Verkäuferin die Tür weit offen hält und Jonna mit einem auffordernden Lächeln anschaut.
    »Du möchtest wahrscheinlich nichts kaufen, oder?«
    »Nein, aber ich muss mal aufs Klo.«
    »Weißt du, ich darf nicht mal unsere besten Kunden unsere Toilette benutzen lassen.«
    Schweigen. Langes Schweigen. Jonna schluckt und ringt nach Worten, aber in ihrem Hals bildet sich ein Kloß, und der behindert ihre guten Argumente.
    Schließlich verliert die Verkäuferin die Geduld und zischt: »Hör mal, du musst jetzt gehen!«
    Jonna erhebt sich widerwillig. Sie streckt sich und zittert schon nach den paar kleinen Schritten, die sie auf die Tür zu macht. Der Wind, der durch den Laden fegt, ist eiskalt. Wie soll sie da draußen nur überleben? Plötzlich hat sie eine Eingebung, und sie bettelt mit ihrer kleinsten Stimme: »Aber ich weiß nicht, wo ich hinsoll …«
    Das muss doch etwas bringen, sie selbst bekommt eine Gänsehaut davon, es klingt elend und unterwürfig.
    »Ach ne, aber ich weiß, wo ich hinsoll!« Das bringt gar nichts, die Verkäuferin ist nun nur noch mehr verärgert: »Ich soll nach
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