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Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)

Titel: Hoffnung ist Gift: Roman (German Edition)
Autoren: Iain Levison
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Montage fertig war. Ich drücke das nicht versperrte Fenster leicht auf, um zu sehen, ob ich die Initialen finde. Sie sind nicht da, ich drücke das Fenster wieder zu. Einer von Piersons Angestellten muss es installiert haben, oder vielleicht hat er die Gewohnheit aufgegeben. Keine Ahnung. Ich geh wieder zurück und warte an der Eingangstür.
    Wenn ich aus alldem etwas gelernt habe, dann dies: Rühr niemals die Fenster fremder Leute an!
    Die Frau da im oberen Stockwerk wird später behaupten, ihre Fenster seien immer verriegelt. Ohne Ausnahme! Sie sei geradezu eine Sicherheitsfanatikerin, wird sie erklären. Sie wird dies vor einem Richter aussagen.
    Außerdem habe ich aus der Sache gelernt, dass jeder lügt, sogar trauernde Mütter.
    Gleich darauf kann ich hören, wie sie zornig ins Telefon schreit, dann legt sie auf. Sie schlägt eine Schlafzimmertür zu und läuft so schnell die Treppe runter, dass ich fürchte, sie könnte stolpern und hinfallen. Noch immer makellos gekleidet, ist sie jetzt barfuß und rennt wie ein Teenager.
    »Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagt sie und drückt mir eine um zwei Zwanzigdollarnoten gewickelte Fünfzigdollarnote in die Hand. Ich will um das Wechselgeld in meine Tasche greifen, aber sie winkt wieder ab. »Stimmt so.«
    »Danke schön.«
    »Gute Fahrt«, sagt sie noch, während ich mich umdrehe und das Haus verlasse.
    »Ebenfalls«, sage ich automatisch. Bevor die Sinnlosigkeit meiner Antwort sich richtig entfalten kann, sitz ich schon wieder in meinem Wagen.
    Ich fahre wieder durch Westboro, an den Ulmen und Cafés vorbei, zurück zur Autobahn, in die Hitze und den Lärm.
    Berühre niemals anderer Leute Fenster. Jeder lügt.
     
    Die restliche Nacht ist ruhig, ein typischer Dienstag, und gegen zwei am Morgen mach ich mich auf den Heimweg. In der Nähe des College fallen mir zwei junge Frauen auf, die schon recht unsicheren Schrittes die Hauptstraße entlangziehen und offenbar versuchen, autozustoppen. Ich nehme an, sie sind zu den College-Unterkünften unterwegs, die ungefähr eine Meile entfernt hier an der Straße liegen. Für mich liegt das unmittelbar am Weg, also halte ich an.
    »Wir haben aber kein Geld dabei«, sagt eine der beiden. Durchs Fenster dringt eine Alkoholwolke herein.
    »Ihr wollt wohl zu den Studentenheimen da vorne?«
    »Exakt.« Das junge Ding hat kaum das gesetzliche Alter für Alkoholkonsum, mit schweren Lidern und leicht schwankend redet sie mich an.
    »Kein Problem. Ich nehme euch auch so mit. Ihr wisst aber schon, dass es keine gute Idee ist, hier in der Nacht autozustoppen.«
    Sie starrt mich lange an und scheint dabei zu überlegen, ob ich wohl einer von denen bin, vor denen ich sie gerade gewarnt habe, doch ihre Gehirnzellen haben den Dienst für diese Nacht eingestellt. In ihrem besoffenen Zustand ist sie zu keinem vernünftigen Urteil in der Lage, und ihr Starren wird langsam unangenehm.
    »Kommt ihr nun mit oder nicht?« Das Geräusch meines laufenden Motors fängt an, mich zu nerven. Ich mag nicht mehr in diesem Wagen sitzen.
    Sie wendet sich ihrer Freundin zu, die zwar wie bewusstlos ist, sich aber erstaunlicherweise noch auf den Beinen hält.
    »Kelly«, sagt sie. Als Kelly nicht antwortet und stattdessen mit leerem Blick die Tramhaltestelle auf der anderen Seite der unbelebten Straße anstarrt, fasst sie ihre Kumpanin am Arm und zieht sie zum Auto. Nach ein paar Fehlversuchen kriegt sie die Wagentür auf und drückt Kelly hinein, die sich augenblicklich auf den Rücksitz fallen lässt, die Beine noch immer auf der Straße. Nachdem sie Kellys Beine auch noch irgendwie in den Wagen manövriert hat, stolpert sie selbst rein und kommt halb auf ihrer Freundin zum Sitzen.
    »Danke«, sagt sie lauter als nötig, während sie die Tür zuschlägt. »Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.« Während ich anfahre, stochert sie in ihrer Handtasche herum und zieht schließlich ihr Handy heraus.
    Die Straßen der Stadt sind um diese Zeit zwar gottverlassen, aber die abgestimmten Ampeln halten mich auf – eine Rotphase nach der anderen. Die Fahrt dauert länger als erwartet.
    »Hi«, hör ich das Mädchen sagen. »Ja. Ein Taxifahrer hat uns gratis mitgenommen. Nein. Ich hab ihm gesagt, dass wir kein Geld haben. O ja. Ein echt cooler Typ. Er heißt Jeff Sutton.«
    Meine Daten hat sie von der Lizenzmarke abgelesen und gibt sie jetzt weiter, zur Sicherheit, falls ihr was zustoßen sollte. Das ist heutzutage so üblich. Viele Frauen, die in der Nacht
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