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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht
Autoren: Stephen Leather
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Aber für uns besteht keine Gefahr. Sie ist hinter Nightingale her.«
    Nightingale stellte den Metallkoffer in die Mitte des Pentagramms. Er nahm einen reich verzierten Golddolch heraus und hob ihn hoch. Der Dolch schimmerte im auf die Terrasse gerichteten Scheinwerferlicht auf. Nightingale schwenkte das Messer über die fünf Zacken des Pentagramms und steckte es dann in die Innentasche seines Regenmantels. » Du verschwendest deine Zeit, Nightingale«, brummte Mitchell. » Messer helfen nichts gegen Teufel.«
    Nightingale nahm einen Zweig aus dem Koffer und fuhr damit langsam den Strichen der Kreidezeichnung nach. Dann versprengte er Wasser aus einer kleinen Flasche auf dem Rand des Kreises. » Geweihtes Salzwasser«, keuchte Mitchell, » aber es wird dir nichts helfen. Es hält sie zwar draußen, aber deine Seele verlierst du trotzdem.«
    Nightingale legte den Zweig und das Fläschchen wieder in den Koffer zurück und holte ein kleines, ledergebundenes Buch heraus. Mitchell runzelte die Stirn. » Was ist denn das? Sylvia, können Sie sehen, was für ein Buch er da hat?«
    Sylvia ging zur Terrassentür und spähte durch das Glas. » Nein, Sir«, sagte sie. » Es scheint keinen Titel zu haben, aber es sieht alt aus.«
    » Was hast du vor, Nightingale?«, murmelte Mitchell.
    Nightingale setzte sich mit dem Buch auf dem Schoß im Schneidersitz in die Mitte des Pentagramms und blickte auf den Garten hinaus.
    » Und was macht er jetzt?«, fragte Sylvia.
    Mitchell schaute zur Wanduhr. » Er wartet«, sagte er. Er sah Sylvia an. » Schalten Sie das Licht aus. Wir können ihm ebenso gut eine Chance geben.«

74
    Nightingale fühlte, wie sein Puls raste, achtete aber darauf, dass sein Atem langsam und gleichmäßig blieb. Hinter ihm im Salon ging das Licht aus. Die Scheinwerfer im Bereich der Terrasse leuchteten weiter, und er war in klinisch weißes Licht getaucht. Auch entlang der Mauer, die das Grundstück einfasste, leuchteten Lampen, und die Bäume im Garten warfen lange Schatten.
    Er brauchte nicht auf seine Uhr zu schauen, um zu wissen, dass ihm noch zehn Minuten blieben. Er konnte nichts tun, um das Warten abzukürzen. Proserpina würde genau um Mitternacht kommen, denn das war der Zeitpunkt, ab dem seine Seele vogelfrei war. Es wäre sinnlos, sie jetzt heraufzubeschwören. Er konnte nur warten, bis sie aus freien Stücken erschien.
    Eine Eule flog über seinen Kopf. Ihre Flügel glitten lautlos durch die reglose Luft. Dann schwang sie sich zu einem Flecken Gras unter einer Eiche hinunter, packte etwas Kleines, Pelziges mit den Klauen und flog zum Dach hinauf.
    Nightingale schloss die Augen. In der Ferne hörte er Verkehrsgeräusche, aber davon abgesehen war die Nacht still. Aus dem Haus hinter ihm drang kein Laut, aber er war sich sicher, dass Mitchell ihn beobachtete. Er versuchte sich vorzustellen, wie der Kranke mit der Sauerstoffmaske vor dem Gesicht in seinem Sessel saß und aus dem Fenster starrte. Auch Sylvia würde da sein, ganz in der Nähe von Mitchells Schutzpentagramm, und alles sorgenvoll im Auge behalten.
    Die Sekunden verstrichen. Dann die Minuten. Ein Nordwind kam auf und zerzauste Nightingales Haar. Er schlug die Augen auf. Die Bäume schwankten im Wind, und ihre Schatten zuckten über den Boden, als wären sie lebendig.
    Mit knackenden Knien stand er auf. Er hielt das Buch an die Brust gepresst und befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. Er sehnte sich nach einer Zigarette, aber das war jetzt unmöglich.
    Nebel hatte sich über den Rasen gebreitet, zunächst nur stellenweise, dann aber immer dichter, und die Außenstrahler an der Mauer wirkten nun wie glimmende Bälle, die mit jeder Sekunde trüber wurden. In der Ferne bellte ein Hund, aber das Geräusch erstarb plötzlich, als hätte jemand fest an der Leine geruckt.
    Nightingale schaute nach vorn. Er konnte die Gartenmauer und die Bäume nicht mehr erkennen. Die Terrasse sah er noch, aber der Rasen wurde nach ein paar Dutzend Metern vom Nebel verschluckt. Dann spaltete sich die Luft vor ihm, faltete sich in sich selbst zurück, leuchtete auf– und sie war da. Sie stand etwa zwölf Schritte vom Pentagramm entfernt, ein verschlagenes Lächeln im Gesicht. Ihre Augen waren dunkle Löcher, die Lippen schwarz und glänzend. Sie trug denselben schwarzen Rock und dieselben Stiefel wie beim letzten Mal, aber ein anderes T-Shirt, schwarz mit einem goldenen Ankh darauf. Ihr Collie umkreiste sie. Er ließ Nightingale nicht aus den Augen, und sein
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