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Höchstgebot

Höchstgebot

Titel: Höchstgebot
Autoren: Hoeps/Toes
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dass er in einer Sackgasse steckte. Darum war er das Wagnis eingegangen, sich als Restaurator und Kunstermittler selbstständig zu machen. Denn dass ein erfahrener Restaurator immer auch Detektivarbeit leisten musste, bedurfte für ihn nach diesen beiden Erlebnissen keines weiteren Beweises mehr.
    Doch dann kam die Bankenkrise. All die Schaumschläger, die ihre schicken Lofts und monströsen Hummer-Gondeln mit Leerverkäufen und Immobilienblasen finanziert hatten, legten ihre Schulden dem Staat vor die Tür und verdrückten sich mit einem unschuldigen Pfeifen auf den Lippen. Und Papa Staat rannte treusorgend zu einer anderen Abteilung der Finanzmafia und lieh sich die nötigen Milliarden, um die taumelnden Geldhäuser zu retten. So profitierten die Finanzmagnaten von ihrer eigenen Krise und fuhren neue Gewinne ein, während Länder und Städte noch tiefer ins Minus gerieten. Ganz am Ende dieser Kette stand Robert. Und neben ihm viele andere.
    Vier sicher geglaubte Restaurierungsaufträge platzten kurz hintereinander, weil den Museen die Gelder gestrichen wurden. Seine Ersparnisse schmolzen dahin wie eine Schokoladenskulptur in der Sonne. Dass Herr Patati einen persönlichen Bankberater hatte, erfuhr er erst, als der ihn freundlich, aber bestimmt an seinen Schreibtisch einlud. Man wolle sich gern über seine mittlere Liquiditätserwartung austauschen, zumal ja auch sein Häuschen noch nicht abbezahlt sei. Robert hatte sich nur schlecht konzentrieren können, er meinte zu hören, wie das aufdringliche Aftershave des Bankers seine Lungenbläschen zum Platzen brachte.
    Die leichte Handbewegung eines Bieters aus dem Publikum führte Roberts Aufmerksamkeit wieder in die Kirche zurück. Es war ein Mann in einem sehr feinen, dezenten grauen Anzug und ohne Handy am Ohr. Entweder hatte er klare und unveränderliche Anweisungen, oder er gab sein eigenes Geld aus. Aber welcher millionenschwere Sammler würde sich so auf dem Präsentierteller darstellen?
    »Neuer Bieter«, gab der Auktionator freudig bekannt und erhöhte bei 6 Millionen die Steigerungsstufe auf 300.000 Euro.
    Saal- und Telefonbieter verhakten sich ineinander wie zwei Hirschbullen im Revierkampf. Es brauchte keine zwei Minuten, bis sie bei 7,8 Millionen angelangt waren.
    Dann zögerte der Telefonbieter und in diese Lücke stieß einer der bisher nicht beteiligten Telefonisten mit einem Gebot, das gleich zwei Stufen übersprang: 8,4 Millionen. Hier wollte jemand zeigen, dass es sinnlos war, gegen ihn anzutreten.
    Der Saalbieter ging auf die Provokation ein und erhöhte seinerseits direkt auf 9 Millionen. Die 10 Millionen kamen im direkten Gegenzug. Der Auktionator wollte weiter unter der üblichen zehnprozentigen Steigerung bleiben, um das Geschehen im Fluss zu halten, und hob die Steigerungsstufe nur auf 500.000 Euro an. Aber der Saalbieter ignorierte diese Vorgabe. 11 Millionen!
    Bei 13 Millionen stieg ein Raunen zum Kreuzgewölbe der alten Kirche empor. Fast ein Jahrzehnt lang, seit einer Versteigerung von Christie’s im New Yorker Rockefeller Plaza , hatte der Rekordpreis für ein Gemälde von Magritte felsenfest bei 12,5 Millionen Euro gelegen.
    Jetzt war man Zeuge eines vorläufig historischen Ereignisses: In diesen Sekunden wurde der teuerste Magritte aller Zeiten gemacht. Sicher würde das Auktionshaus gerade seine Kundin Ingrid Roeder über das freudige Ereignis informieren. Dann sollte Carsten es ebenfalls erfahren, dachte Robert, missachtete dessen Anweisung und rief ihn an. Er nahm nicht ab.
    Und die Schlacht war ja noch längst nicht entschieden. Selbst der distinguierte Auktionator konnte seine Irritation darüber, wie die Bieter das Verfahren an sich rissen, nicht ganz verbergen. Die beiden Kontrahenten folgten ihren eigenen Regeln und boten weiter in 1-Million-Schritten. 16, 17, 18. Sie erschienen Robert wie Generäle, die gleichgültig gegenüber den blutigen Verlusten immer weitere Bataillone nach vorne schickten.
    In Roberts Gedanken mischten sich Faszination und Widerwille. Die Frage, was er und all die anderen Experten nicht erkannt haben mochten, führte hier nicht weiter. Dies war der Kunstmarkt. Und auf dem Kunstmarkt wurden die Gesetze auf Basis von Angebot und Nachfrage durch unterschiedlichste Faktoren immer wieder neu bestimmt: Ob es Veränderungen ästhetischer Vorlieben waren, bis aufs Blut geführte Konkurrenzkämpfe zwischen mächtigen Samm lern oder die Aufmischung des Marktes durch Galeristen und Anleger, die mit hochspekulativen
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