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Hochzeit im Herrenhaus

Hochzeit im Herrenhaus

Titel: Hochzeit im Herrenhaus
Autoren: Anne Ashley
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der Hausherr am Fenster und betrachtete seinen schneebedeckten Park.
    Nachdem der Butler die Besucherin angemeldet und die Bibliothek verlassen hatte, dauerte es fast eine volle Minute, bevor Seine Lordschaft geruhte, sich umzudrehen. Immer noch schweigend, musterte er Annis. Ob er irgendetwas an ihrer äußeren Erscheinung auszusetzen fand, ließ seine undurchdringliche Miene nicht erkennen.
    Schließlich wies er einladend auf einen Sessel vor dem Kamin und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. “Ich muss Ihnen erst einmal für den einzigartigen Dienst danken, den Sie mir gestern erwiesen haben, Miss Milbank. Ohne Ihre Hilfe würde es zweifellos viel schlechter um mich stehen.”
    “Wie ich sehe, haben Sie den unglückseligen Zwischenfall recht gut überstanden, Mylord.” Annis fragte sich, ob er ihr wirklich dankbar war oder nur Höflichkeitsfloskeln aussprach.
    “Hätten Sie sich nicht um mich gekümmert, würden mich nicht nur ein paar Schürfwunden und ein verletzter Arm behindern.”
    “Bitte, Sir – Sie dürfen meine selbstverständliche Hilfeleistung nicht überbewerten”, erwiderte sie und schwenkte eine Hand durch die Luft, als wollte sie ein lästiges Insekt verscheuchen.
    “Das tue ich keineswegs – nach allem, was meine Schwester und meine Dienstboten mir mitteilten.” Was ihm tatsächlich durch den Sinn ging, verriet seine Miene nicht.
    “Dann sollten wir beide einer gütigen Vorsehung danken, Sir”, schlug sie vor, aus der Überzeugung heraus, Viscount Greythorpe würde offene Worte schätzen. “Die unerwartete Begegnung geriet nicht nur Ihnen, sondern auch mir zum Vorteil. Hätte ich Sie nicht auf der Straße gefunden, wäre mir das Gespräch, das Sie mir jetzt gewähren, womöglich verweigert worden.”
    Nur sekundenlang glaubte sie in seinen dunkelblauen Augen eine gewisse Anerkennung zu lesen. Und dieser Ausdruck verschwand so schnell, dass sie überlegte, ob sie sich geirrt hatte. Immerhin hielt sie die Beobachtung für einen kleinen Sieg, denn es war ihr gelungen, die unergründliche Maske zu durchdringen – wenn auch nur kurzfristig. Was hinter dieser kühlen Fassade lauerte, vor der Außenwelt verborgen, würde sie vielleicht nie erfahren. Nur eins stand fest – der Herr von Greythorpe Manor war nicht so kaltschnäuzig, wie er erscheinen wollte.
    “Wie ich höre, hegen Sie ein ungewöhnlich großes Misstrauen gegen alle fremden Personen, Sir”, fuhr sie fort. Weil sie ins Kaminfeuer starrte, entging ihr die Verblüffung des Viscounts. “Hier sitze ich – eine Frau, die Sie nicht kennen. Wie können Sie sicher sein, dass ich die bin, für die ich mich ausgebe? Dass ich Sie aus legitimen Gründen sprechen möchte? Dass ich dies nicht wünsche, um einen persönlichen Gewinn daraus zu ziehen?”
    Falls die unverblümte Wortwahl ihn irritierte, ließ er sich nichts dergleichen anmerken. Als sie ihn wieder anschaute, verhehlte seine undurchdringliche Miene erneut, was er dachte. “Seien Sie unbesorgt. Dass Sie Miss Annis Milbank sind, bezweifle ich nicht. Zudem wurde mir angedeutet, Sie wären nicht aus eigennützigen Gründen hierhergekommen, sondern in Lady Pelhams Auftrag. Und das keineswegs bereitwillig.”
    Annis bewunderte seinen Scharfsinn.
Was ich seiner Schwester anvertraut habe, muss sie ihm erzählt haben.
Und daraus zog er völlig richtige Schlüsse. Ob ihm das gefiel, war eine ganz andere Frage. Wahrscheinlich nicht, was er allerdings für sich behielt …
    Aber diese Vermutung hinderte sie nicht daran, ihm zu versichern, sein Eindruck sei zutreffend. “In der Tat, Sir, und das würde ich gern beweisen. Leider vergaß ich, das Empfehlungsschreiben meiner Patentante dem Gepäck zu entnehmen, das sich jetzt in der Poststation befindet. Jedenfalls muss ich Ihnen zustimmen – diesen Auftrag übernahm ich nur sehr ungern.”
    Offensichtlich erwachte die Neugier des Viscounts, denn er fragte in ziemlich scharfem Ton: “Warum?”
    “Weil ich glaube, dass ich mich nicht zur Vermittlerin eigne. Für den Geschmack einiger Leute sage ich etwas zu offenherzig, was ich denke.” Seufzend zuckte sie die Achseln. “Aber Lady Pelham sieht das etwas anders – möglicherweise, weil ich dank ihrer langjährigen Freundschaft mit meiner verstorbenen Mutter über ihre privaten Angelegenheiten Bescheid weiß.”
    Nach einer längeren Pause verkündete er: “Gegen offene Worte habe ich nichts einzuwenden. Also sprechen Sie ohne Scheu.”
    Auf diese Weise ermutigt, zögerte Annis
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