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Hochzeit im Herrenhaus

Hochzeit im Herrenhaus

Titel: Hochzeit im Herrenhaus
Autoren: Anne Ashley
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war sie es nicht gewöhnt, dass sich jemand für sie einsetzte. Und Sarah empfand es vielleicht als angenehme Abwechslung, der Pflicht enthoben zu werden, an der Dinnertafel für Gesprächsstoff zu sorgen. Jedenfalls hörte sie sichtlich erleichtert zu, während der Viscount unverwandt in Annis’ Richtung schaute, kaum verhohlenen Argwohn in den dunkelblauen Augen.
    Von dieser Missbilligung unbeirrt, erwärmte sie sich für ihr Thema. “Vor langer Zeit besaß mein Großvater, der längst verstorben ist, ein ungebärdiges Jagdpferd, einen schönen Grauschimmel. Der konnte es auf den Tod nicht leiden, wenn man von hinten an ihn herantrat. Wer es wagte, bekam die Hufe des reizbaren Tiers schmerzhaft zu spüren, und Grandpapa versäumte keine Gelegenheit, das auszunutzen. Eines Morgens, ich war etwa zehn Jahre alt, besuchte uns ein Nachbar namens McGregor. Da Großvater die Habgier dieses Herrn kannte, führte er ihn in Versuchung, indem er eine glänzende goldene Guinee in die Gefahrenzone warf. Danach musste der arme Mann seinen lädierten Kopf in einen Wassertrog halten.”
    “Offenbar war Ihr Großvater ein Witzbold, Miss Milbank”, bemerkte Seine Lordschaft trocken, während seine Schwester damenhaft versucht hatte, ihren Lachreiz zu bekämpfen, und Louise belustigt kicherte.
    “O ja, Sir, er konnte ziemlich boshaft und übermütig sein, wenn es seinen Zwecken diente”, verriet Annis wahrheitsgemäß. “Mit vierzehn Jahren flüchtete er aus dem Internat und zog monatelang mit einer Gauklertruppe von einem Jahrmarkt zum anderen.”
    “Du meine Güte!”, rief Sarah schockiert. “Was um alles in der Welt hat ihn dazu bewogen? Was mag ihm alles zugestoßen sein?”
    Gelassen zuckte Annis die Achseln. “Sehr viel, nehme ich an. Jedenfalls erklärte er, in diesen paar Monaten habe er mehr gelernt als während seiner ganzen Schulzeit. Außerdem verfolgte er mit dieser Flucht einen ganz bestimmten Zweck.”
    Fragend hob Greythorpe die Brauen, um seine Neugier zu bekunden.
    Und so fuhr sie fort: “Sein Vater bedrängte ihn, Theologie zu studieren und in den geistlichen Stand zu treten. Natürlich war das völliger Unsinn, denn es gab keinen jungen Mann, der sich weniger dafür geeignet hätte. Als mein Großvater endlich aufgespürt wurde, waren seine Eltern überglücklich und nahmen ihn wieder im Schoß der Familie auf. Weil sie sich so sehr über seine Heimkehr freuten, erfüllten sie alle seine Wünsche. Er durfte zur Marine gehen – vorausgesetzt, er würde zuvor seine Ausbildung beenden. Bedauerlicherweise konnte Grandpapa seinen Traum nicht verwirklichen, daran wurde er von einem tragischen Schicksal gehindert. Sein älterer Bruder starb an den Pocken, und Großvater musste das Erbe antreten. Wie man ihm zubilligen musste, entwickelte er sich zu einem tüchtigen Gutsherrn, der seine Verantwortung sehr ernst nahm. Aber er vergaß niemals, was er von Pferdehändlern, Zigeunern und Spaßmachern gelernt hatte.” Zu Louise gewandt, fügte sie hinzu: “Nach dem Dinner würde ich Ihnen gern zeigen, welche Fähigkeiten er sich angeeignet und mir beigebracht hat.”
    Prompt beeilte sich die junge Dame, ihre Mahlzeit zu beenden. Ob das an der furchterregenden Gegenwart ihres Vetters lag oder ob sie sich tatsächlich für die Erfahrungen interessierte, die Josiah Milbank in seiner tadelnswerten Jugend auf diversen Jahrmärkten gesammelt hatte, konnte Annis nicht beurteilen. Jedenfalls zog sie sich schon bald mit den Damen in den kleinen Salon zurück.
    Der Hausherr folgte ihnen erstaunlicherweise. Aus reiner Neugier? Oder wollte er Annis seine Gastfreundschaft beweisen? Auch das blieb ihr verborgen.
    Nachdem das Teegeschirr abgeräumt worden war, holte der stets diensteifrige Butler die Gegenstände, um die Annis ihn gebeten hatte. Allerdings wünschte sie, die drei zierlichen Porzellangefäße, die er auf den Tisch stellte, wären nicht so kostbar. Aber dann konzentrierte sie sich auf das Kunststück, das sie vorführen wollte, und ersuchte die Damen, darum zu wetten, unter welchem der Gefäße sich ein Kieselstein befand.
    “Ah, ein perfektes Beispiel für das Täuschungsmanöver, das geschickte Hände bewirken können …”, meinte der Viscount gedehnt und beobachtete, wie der Münzenstapel auf dem Tisch stetig wuchs. “Oder wird einfach nur die Dummheit argloser Leute ausgenutzt?” Mochten ihn die Aktivitäten auch nicht amüsieren – er schien sie wenigstens nicht zu missbilligen.
    Annis hob eine
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