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Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jochen Frech
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jünger als er und lebte in Donzdorf, einer Nachbargemeinde. Manchmal dachte sie, es wäre besser gewesen, ihn niemals kennengelernt zu haben.

MONTAG
22. Juli 2013

E r war aufgewacht. Schweißgebadet. Er hatte von dem Mädchen geträumt und sich an die Stille erinnert, nachdem er die Hand von ihrem Gesicht genommen hatte. An den Moment, als er begriffen hatte. Er setzte sich auf und versuchte, die Bilder zu verdrängen. Im Raum roch es nach leeren Weinflaschen und Schmutzwäsche. Er öffnete ein Fenster und stierte in den Nachthimmel. Dann begann er zu frösteln, hob ein gebrauchtes T-Shirt vom Boden auf und zog sich um. Er dachte über den Traum nach. Was, wenn alles ein Irrtum war und sie noch lebte? Er überlegte, ob er in den Wald fahren sollte, um nach ihr zu sehen. Aber dann fiel ihm ein, dass man sie vielleicht bereits gefunden haben könnte und die Polizei auf dem Parkplatz auf ihn warten würde. Und er wusste nicht, was er seiner Lebensgefährtin sagen sollte, die im Nebenzimmer schlief und vom kleinsten Geräusch aufwachte. Mechanisch griff er nach der Flasche, die neben seinem Bett stand, und nach einer weiteren Schlaftablette. Zitternd trank er und schluckte die Kapsel. Dann eine zweite. Morgen werde ich mich vergewissern, dachte er. Alles gestaltete sich schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte.
    Er lag wach, bis er den Wagen des Zeitungsausträgers hörte, der sein Auto jeden Morgen vor dem Nachbarhaus abstellte, um die Zeitungen im Wohngebiet zu verteilen. Nachdem der Wagen wieder weggefahren war, stand er auf und ging nach unten. Nervös blätterte er die Montagsausgabe der Neuen Württembergischen Zeitung durch und überflog jede Seite zweimal. Anschließend faltete er das Blatt ordentlich zusammen und steckte es zurück in den Briefkasten.
    Der Morgen war mild. Das Thermometer an der Haustür zeigte einundzwanzig Grad. Er ging wieder zu Bett und wartete auf die Morgendämmerung. Es war zehn Minuten nach drei.
    Später tauchte er in denselben Traum ein wie in der Nacht.
    Gegen drei Uhr dreißig übernahm Lea Thomann die Arbeit am Wachtisch. Nachdem sie von der Unfallaufnahme zurückgekehrt war, hatte sie zuerst geduscht und eine frische Uniform angezogen. Die Kleidungsstücke rochen abscheulich nach Rauch. Die Bilder und Eindrücke der Nacht beschäftigten sie unaufhörlich. Drei verkohlte Leichen hatten die Einsatzkräfte aus den Fahrzeugwracks geborgen. Darunter der Motorradfahrer, an den sie ständig dachte. Zwei Sachverständige waren noch vor Ort, um die Unfallursache zu ermitteln. Es gab einen Überlebenden, der mit schweren Verbrennungen bis zur zwei Kilometer entfernten Wohnung seiner Freundin gelaufen war. Der Achtunddreißigjährige war mit einem Helikopter in eine Spezialklinik nach Ludwigshafen geflogen worden.
    Zwei ihrer Kollegen und ein Notfallseelsorger waren unterwegs, um den Angehörigen die Hiobsbotschaften zu überbringen. Lea war froh, dass ihr Vorgesetzter sie nicht für diesen Auftrag eingeteilt hatte. Dafür musste sie jetzt am Wachtisch das Einsatztagebuch schreiben und Telefonate entgegennehmen. Sie ärgerte sich darüber, am Unfallort das Bewusstsein verloren zu haben. Bestimmt würden die Kollegen sie damit aufziehen. Im Streifendienst wurde so ein Vorfall häufig als Schwäche ausgelegt. Vor allem dann, wenn es einer Frau passierte. Sie hasste die ewigen Sticheleien und die Grundsatzdiskussionen über Frauen bei der Polizei. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, würde sie den Streifendienst lieber heute als morgen verlassen. Es gab Momente, in denen sie ernsthaft über eine Kündigung nachdachte. Seufzend rückte Lea die abgegriffene Tastatur zurecht.
    Sie schrieb das Einsatztagebuch fertig und überflog die übrigen Einträge der vergangenen Nacht. Den Notizen ihres Kollegen zufolge hatte einer der Männer aus dem Schrebergarten die Polizei alarmiert. Wenigstens das! Ob die Gaffer eventuell als Zeugen in Betracht kämen?
    Möglicherweise würden die Filmaufnahmen bei den Ermittlungen weiterhelfen. Lea Thomann machte sich einen Vermerk in ihr Notizbuch.
    Anschließend listete sie sämtliche Maßnahmen mit der genauen Uhrzeit in einer Tabelle auf. Für zweiundzwanzig Uhr neunundfünfzig hatte jemand einen Eintrag notiert, der nichts mit dem Unfall zu tun hatte. Sie öffnete die Datei mit einem Mausklick und überflog das Geschriebene. Dann ein zweites Mal. Anschließend griff sie beunruhigt zum Telefonhörer.
    Susanne Jessen wartete auf einem Parkplatz vor der Wohnung
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