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Historical Exklusiv Band 36

Historical Exklusiv Band 36

Titel: Historical Exklusiv Band 36
Autoren: S Westleigh
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Helm. Er holte die Lanze aus ihrem Schaft, deren scharfes Ende jetzt mit einem Turnierkrönlein geschützt war, und band das Tuch daran. Dann führte er sein Pferd vor Genevras Platz in der Loge, beugte sich im Sattel leicht nach vorne und hielt ihr die Lanze entgegen, sodass sie ihr Eigentum entgegennehmen konnte.
    Unsicher griff Genevra nach dem Tuch und zwang sich, ihrem zukünftigen Gemahl in die Augen zu blicken. Sie konnte nicht viel von seinem Gesicht erkennen, nur zwei lebhafte blaue Augen, die sie kalt musterten, und eine markante Nase.
    Seine Stimme drang gedämpft durch das Metall seines Helmes. „Habt Dank, Mistress. Eure Farben brachten mir Glück.“
    Dann griff er nach den Zügeln und ritt unter dem lauten Jubel der Menge vom Turnierplatz.
    Stumm saß Genevra auf einem Stuhl und ließ sich von Meg die Haare bürsten. Sie wollte für die Verlobungszeremonie so schön als möglich sein, wollte einen guten Eindruck machen.
    „Er sieht groß und stattlich aus, Euer Ritter“, sagte Meg, als ob sie die Gedanken ihrer Herrin lesen könnte. „Es wird Euch nicht schwer werden, Eure Pflichten ihm gegenüber zu erfüllen.“
    „Nein“, antwortete Genevra und fragte sich, was diese Pflichten wohl genau bedeuteten. Sie musste das Bett mit ihm teilen und Kinder von ihm empfangen, mehr wusste sie nicht.
    Sie hatte indes nur sehr vage Vorstellungen von körperlicher Liebe. Gelegentlich hatte sie die Stallburschen und Pagen ertappt, die sich in dunklen Ecken oder unter den Büschen mit den Mägden und Dienerinnen vergnügten und offensichtlich Spaß daran fanden. Sie war sich bewusst, dass die Vereinigung zwischen Mann und Frau so natürlich war wie das Leben selbst.
    Da die Liebe und die Empfängnis notwendig waren, um Leben zu erhalten und fortzupflanzen, hatte Gott gewiss dafür gesorgt, dass diese Liebe nicht nur als unangenehme Pflichterfüllung empfunden wurde. Genevra gestand sich auch ein, dass beim Anblick von Robert St. Aubin Wünsche und Sehnsüchte in ihr wach wurden, die die Aussichten auf diese Pflichterfüllung in angenehmem Licht erscheinen ließen. In wenigen Tagen schon würde sie wissen, wonach sie sich lange gesehnt hatte.
    „Ich bitte Gott, dass ich lerne, ihn zu lieben“, sagte sie plötzlich in die Stille.
    „Gott wird Euch schon helfen, denn mit Liebe lässt sich die Last des Alltags leichter tragen.“
    „Vielleicht liebt er mich nicht?“
    Nachdenklich und sorgenvoll klang Genevras Stimme, und Meg legte die Haarbürste beiseite. Sie schlang die Arme um ihre Herrin und hielt sie fest, so wie sie es schon mit Genevra als Kind gemacht hatte, um ihr Trost zu spenden.
    „Er ist ein Mann, der nicht leicht zufriedenzustellen ist. Indes müsste er ein Narr sein, wenn er Euch nicht liebte“, erwiderte Meg. „Ihr seid jung, hübsch und habt ein sanftes Gemüt …“
    „Meinst du?“, fragte Genevra zweifelnd. „Ich bin nicht mehr ganz jung, mein Spiegel sagt mir, dass ich nicht hübsch bin, und sanft fühle ich mich schon gar nicht, wenn ich meine Tante Hannah am liebsten erwürgen möchte, sobald sie bloß den Mund aufmacht! Und ich empfinde auch keine Liebe für meinen Onkel und meine Basen und Vettern.“ Genevra hatte sich umgedreht und erwiderte Megs Umarmung. „Du bist die Einzige, die ich lieb habe, Meg!“
    „Wenn Euer Gemahl gut zu Euch ist, werdet Ihr ihn auch lieben können“, versicherte Meg. „Und macht Euch keine Sorgen über Euer Aussehen, mein Täubchen. Ihr seid von gutem Wuchs …“
    „Ja, besonders meine Nase!“
    „Die sieht nicht so schlimm aus. Jedenfalls nicht schlimmer als seine.“ Meg hatte die Gelegenheit gehabt, den zukünftigen Gatten ihrer Herrin genauer zu betrachten.
    „Denk doch nur an unsere armen Kinder!“, jammerte Genevra, aber ein Lächeln umspielte ihren Mund. Dabei zeigten sich die Grübchen in ihren Wangen, und Meg bekam feuchte Augen.
    „Alles, was Ihr beide tun müsst, ist lächeln“, sagte sie. „Ein Lächeln macht vieles wett. Der arme Mann indes sieht aus, als hätte er schon lange Zeit keine Gelegenheit mehr gehabt, glücklich zu sein.“
    „Immerhin war er der Sieger des Turniers.“
    Meg hatte wieder begonnen, das Haar ihrer Herrin zu bürsten. „Das hat ihm eine gewisse Befriedigung gegeben, jedoch keine Freude. Er dankte der Menge für den Jubel, aber sein Lächeln blieb hinter dem Visier versteckt. Als ich ihn später sah, zeigte sein Gesicht einen düsteren Ausdruck.“
    „Vielleicht lehnt er die Heirat mit mir ab.“
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