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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt
Autoren: Garry Disher
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der Nicholson Street. Es war nicht das beste Zimmer und direkt unter seinem Fenster schrammte die Straßenbahn vorbei. Außerdem blieben ihm jetzt nur noch achtzig Dollar.
    Gegen zehn schlenderte er über das Kopfsteinpflaster der engen Gassen und kaufte einen Döner bei einem türkischen Imbiss in der Brunswick Street. Er aß im Gehen. Das großstädtische Treiben machte ihn nervös. Es hatte immer zu seinen Prinzipien gehört, im Trubel der Großstadt und unter Menschen zu arbeiten, seine selbstgewählte Einsamkeit jedoch am Rande der großen Städte zu zelebrieren. Doch jetzt fühlte er sich ausgeliefert. Er wagte es nicht einmal, in einem Restaurant zu essen. Das provozierte nur Ärger — Verhaftung, ein Messer im Rücken, einen Kopfschuss.
    Im Hotel blätterte er in einem alten Telefonbuch, das im Foyer herumlag. M wie Mesic. In Melbourne stand dieser Name für eine Gruppe Schmalspurganoven, deren Gütesiegel brutale Gewalt war. Er hatte gehört, dass die Mesics in einer Festung in Templestowe residierten, und da waren sie auch schon: Mesic K. & L., Telegraph Road 11. Die Mesics waren Wyatt ein Dorn im Auge, er wollte ihnen eine Lektion erteilen und er wollte sein Geld zurück. Morgen würde er sich die Gegend ansehen. Dazu brauchte er einen neuen Wagen. Es war ziemlich riskant, jeden Tag ein anderes Auto zu klauen, aber er hatte niemand mehr, den er hätte um Hilfe bitten können.
    Er versuchte zu schlafen, fühlte sich matt und wie in Watte gepackt. Doch es war unmöglich, das Kreischen der Straßenbahnen und das dumme Gelächter der Touristen zu ignorieren, das Gegröle, wenn die Gäste aus den umliegenden Pubs taumelten und nach ihren Autos suchten. Immer, wenn er aus dem Schlaf hochschreckte, glaubte er zunächst, es sei der Lärm, aber dann schien sich jedes Mal diese Qual am Rande seines Bewußtseins davonschleichen zu wollen, wie die Spur eines beunruhigenden Traumes, an den man sich nur noch vage erinnert. So lag er über längere Strecken wach, angespannt und unruhig. Die ersten Straßenbahnen verschlief er, doch gegen acht Uhr schrillte jede Minute eine unterm Fenster vorbei. Unausgeschlafen und innerlich aufgewühlt begann er den Tag.
    Er suchte nach einem Wagen, den niemand so schnell vermissen würde. Gegenüber des Abbey war eine Tankstelle. Während des gesamten Morgens beobachtete er die Vorgänge dort von seinem Hotelfenster aus. Es herrschte lebhafter Betrieb, ein ständiges Rein und Raus, tanken, Ölwechsel, kleinere Reparaturen. Hatten die Mechaniker die Arbeit an einem Wagen beendet, stellten sie ihn auf einem kleinen Hof neben der Tankstelle ab und warfen die Schlüssel unter den Fahrersitz. Eine für Wyatt interessante Beobachtung. Gegen elf Uhr rollte ein großer Tankwagen heran, um die unterirdischen Benzinreservoirs aufzufüllen. Er bot Sichtschutz und lenkte die Mitarbeiter für kurze Zeit ab. Das war Wyatts Chance. Mit einem Satz war er aus dem Hotel und auf der anderen Straßenseite, sprang in einen Datsun und fuhr seelenruhig davon.
    Jetzt ging es ihm besser. Pläne entwickeln und erfolgreich ausführen bedeutete Arbeit, und die beherrschte er. Doch diese Stimmung war nicht von Dauer. Er ertappte sich dabei, wie er mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern den Wagen steuerte, als wäre jeder Autofahrer, jeder Fußgänger dieser Stadt darauf gedrillt, ihn zu erkennen und Alarm zu schlagen oder aus einem heruntergekurbelten Seitenfenster eine Waffe auf ihn zu richten.
    Eine halbe Stunde später hielt er an einem Coffeeshop in der Williamson Road und bestellte einen Kaffee und ein Käsesandwich. Machte vier Dollar. Er erkundigte sich, wie er zur Telegraph Road kam, und fuhr weiter.
    Telegraph Road war ein breites, selbstgerecht wirkendes Band aus pechschwarzem Asphalt mit hellgrauen Bordsteinen, das sich sanft den Hügel hochwand. Die Häuser standen weit zurückgesetzt von der Straße, umgeben von dichten Hecken und hohen Backsteinmauern. Sie waren hässlich, Zeugnisse des schlechten Geschmacks ihrer Bewohner, die außer ihrem schnell erworbenen Reichtum nichts zu bieten hatten.
    Er fand Nummer elf. Alles vermittelte hier den Eindruck, als würden die Mesics das Gelände noch nicht lange bewohnen. Sie hatten einen Hektar Dreck gekauft und daraus ein Herrenhaus machen wollen. Künstlich aufgeschüttete Terrassen, junge Bäume, eine Garage und zwei kitschige Backsteingebäude mit Kolonnaden, die an Zahnlücken erinnerten und den Fronten der Gebäude ein Grinsen verliehen. Das
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