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High - Genial unterwegs an Berg und Fels

High - Genial unterwegs an Berg und Fels

Titel: High - Genial unterwegs an Berg und Fels
Autoren: David Lama
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sollte. Wer was bekommt. Was zu tun sein wird. Die Geschichte macht mir Eindruck. Dass alles ausgesprochen wird. Dass im Angesicht des Todes nicht so getan wird, als ob nichts sei. Dem Großvater konnte es ja auch nur recht sein zu wissen, dass er kein Chaos hinterlässt.
    Meine Mutter und Rinzi waren noch nicht zurück in Österreich, als sie die Nachricht erreichte. Der Großvater war gestorben.

Drei
    Ich kam am 4. August 1990 in Innsbruck zur Welt. Rinzi hatte einen Job bei einer Firma für medizinisches Recycling. Meine Mutter war in Karenz und kümmerte sich um mich. Wir wohnten in einer kleinen Wohnung in Axams. Meine ersten Erinnerungen stammen aus den Bergen. Vage Bilder schneebedeckter Gipfel. Ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen, wo wir dauernd unterwegs waren, meine Eltern zu Fuß, ich im Tragetuch am Rücken. Ob es in den Alpen war, oder ob die Bilder in meinem Kopf von den Bergen Nepals stammen. Den Himalaja sah ich zum ersten Mal mit drei Jahren, als wir in Nepal Rinzis Familie besuchten.
    Es gibt Fotos, auf denen ich mit meinen Cousins und Cousinen in Phaplu spiele. Meine Mutter sagt, dass ich mich mit den nepalesischen Kindern super verstanden habe, mir das würzige Essen gut geschmeckt habe und ich mich sofort zu Hause fühlte. Trotzdem war es ein trauriger Besuch. Rinzis älterer Bruder war gestorben, mit 42 Jahren. Es war klar, dass wir seinen Kindern helfen mussten. Meine Eltern brachten sie nach Westnepal in die Stadt Pokhara, wo ein anderer Bruder mit seiner Familie lebte.
    Wir gingen dann noch eine Woche in die Berge, und ich weiß nicht, ob ich mich wirklich erinnere oder ob es die Erzählungen der Eltern sind, die sich wie Erinnerungen anfühlen. Dass ich gehe und nie erschöpft bin, und nur wenn mir die Stufen der Wege zu hoch werden, hebt mich meine Mutter in das Tragetuch.
    In Tirol ging ich ganz normal in den Kindergarten. Aber wenn das Wetter schön war, hat meine Mutter mich oft abgemeldet und wir waren in den Bergen unterwegs. Ich war fünf, als wir das nächste Mal nach Nepal reisten. Das kleinste Kind des jüngsten Bruders von Rinzi war gestorben. Das andere hatte eine üble Durchfallerkrankung. In Westnepal besuchten wir die anderen Kinder der Familie, die in einem Internat untergebracht waren. Das war zwar in Ordnung, aber meine Eltern hatten das Gefühl, dass die Kinder jemanden brauchten, der sich nicht nur um ihre Ausbildung kümmern würde. In der Nähe war ein S.O.S.-Kinderdorf. Mit viel Engagement erreichten meine Eltern, dass alle Geschwister Plätze im S.O.S.-Kinderdorf Gandaki in Pokhara bekamen. Das war die beste Idee, um die Familie, so gut es ging, wieder zusammenzubringen.
    Wieder unternahmen wir, als die wichtigen Sachen erledigt waren, eine Trekkingtour. Ich freundete mich sofort mit den Trägern und der Küchenmannschaft an. Wieder die Erinnerung an Gehen, Gehen, Gehen. Gehen machte mich irgendwie glücklich. Meine Mutter sagt, dass ich nie gejammert habe.
    Es erstaunt mich, dass sie das sagt. Warum hätte ich jammern sollen?
    Im gleichen Jahr organisierten Freunde meiner Eltern in Innsbruck eine Benefizveranstaltung für die Nepalhilfe. Meine Eltern hatten einen großen Freundeskreis. Rinzi war inzwischen eine bekannte Figur in Axams. Er ist ein freundlicher Mann, und er fiel auf. Wenn Rinzi die Straße entlangging, kam er aus dem Grüßen gar nicht heraus.
    Der Star der Veranstaltung war Wolfgang Nairz. Wolfgang hatte 1978 als erster Österreicher den Mount Everest bestiegen, und auch er war von Nepal nie mehr losgekommen. Er engagierte sich für die Nepalhilfe, für bessere medizinische Versorgung der Bevölkerung, und hatte meiner Mutter damals geholfen, die Papiere für die Einbürgerung von Rinzi zu organisieren. Zu der Veranstaltung hatte er auch seinen Freund und Kletterkollegen Peter Habeler eingeladen, dem gemeinsam mit Reinhold Messner die Erstbegehung des Mount Everest ohne Sauerstoffflasche gelungen war. Peter veranstaltete jeden Sommer Kletterlager in den Zillertaler Alpen: »Jugend klettert mit Peter Habeler«. Teilnahmeberechtigt waren Kinder zwischen acht und vierzehn Jahren. Hans Gastl, dessen Raiffeisenbank die Nepalhilfe unterstützte, machte Peter den Vorschlag, mich mitzunehmen. Er sagte, ich sei schon in Nepal gewesen und für mein Alter ausgesprochen gut zu Fuß.
    »Interessant«, sagte Peter und rief ein paar Tage später meine Eltern an. »Wenn David Lust hat, soll er mitkommen.«
    Meine Mutter bezweifelte, dass ich Lust haben
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