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High Fidelity (German Edition)

High Fidelity (German Edition)

Titel: High Fidelity (German Edition)
Autoren: Nick Hornby
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Schaufenster erklärt. Der Laden liegt in einer ruhigen Seitenstraße in Holloway, eine gutgewählte Lage, um ein absolutes Minimum an Laufkundschaft anzuziehen. Eigentlich gibt es nicht den geringsten Grund, hierherzukommen, es sei denn, man wohnt hier, und die Leute, die hier wohnen, sind anscheinend nicht übermäßig an meiner Stiff-Little-Fingers-Weißpressung (fünfundzwanzig Eier für euch – ich habe 1986 siebzehn dafür bezahlt) oder meiner Mono-Pressung von Blonde On Blonde interessiert.
    Meinen Schnitt mache ich dank der Leute, die sich samstags extra hierherbemühen – junge Männer, und nur junge Männer, mit John-Lennon-Brillen, Lederjacken und den Armen voll mit quadratischen Einkaufstüten – und dank des Mailorderversands: Ich inseriere im Kleinanzeigenteil der Hochglanz-Rockmagazine und bekomme Post von jungen Männern, und nur jungen Männern, aus Manchester, Glasgow und Ottawa, jungen Männern, die offenbar unverhältnismäßig viel Zeit darauf verwenden, nach vergriffenen Smith-Singles oder Frank-Zappa-LPs mit der Aufschrift »ORIGINAL, KEINE NACHPRESSUNG« zu suchen. Eigentlich dürften die gar nicht frei rumlaufen.
    Ich komme zu spät zur Arbeit, und als ich eintreffe, lehnt Dick bereits an der Tür und liest in einem Buch. Er ist einunddreißig und hat langes, fettiges schwarzes Haar. Er trägt ein Sonic-Youth-T-Shirt, eine Lederjacke, die tapfer versucht, sich den Anschein zu geben, als habe sie schon bessere Zeiten gesehen, obwohl er sie erst vor einem Jahr gekauft hat, und einen Walkman mit einem Paar lächerlich großer Kopfhörer, die nicht nur seine Ohren, sondern auch sein halbes Gesicht verdecken. Das Buch ist ein Paperback einer Lou-Reed-Biographie. Die Einkaufstüte an seinen Füßen, die tatsächlich schon bessere Zeiten gesehen hat, wirbt für ein tierisch angesagtes amerikanisches Independent-Label. Er hat sie unter größten Mühen ergattert und wird ausgesprochen nervös, wenn wir ihr zu nahe kommen. Er benutzt sie, um Kassetten herumzuschleppen, er hat das meiste schon gehört, was an Musik im Laden steht, und bringt lieber neues Zeug zur Arbeit mit – Tapes von Freunden, Bootlegs, die er per Post bestellt hat –, als seine Zeit damit zu verschwenden, sich irgendwas ein zweites Mal anzuhören. (»Hast du Lust, mit in den Pub zum Essen zu gehen, Dick?« fragen ihn Barry oder ich ein paarmal die Woche. Dann schaut er bedauernd auf seinen kleinen Stapel Kassetten und seufzt: »Würde ich wahnsinnig gern, aber ich muß das alles noch durchhören.«)
    »Morgen, Richard.«
    Er fummelt nervös an seinen gigantischen Kopfhörern, einer bleibt an seinem Ohr kleben, der andere rutscht über ein Auge.
    »Oh, hi. Hi, Rob.«
    »Tschuldigung, ich bin zu spät.«
    »Kein Problem.«
    »Schönes Wochenende gehabt?«
    Ich schließe den Laden auf, während er seinen Kram zusammensucht.
    »Fein, ja, okay. Ich hab das erste Liquorice-Comfits-Album in Camden entdeckt. Das auf Testament of Youth. Ist hier nie veröffentlicht worden. Nur als Japan-Import.«
    »Spitze.« Ich habe keine Ahnung, wovon zum Henker er spricht.
    »Ich nehm's dir auf.«
    »Danke.«
    »Weil du gesagt hast, dir würde ihre erste gefallen. Pop, Girls, etc. Die mit Hattie Jacques auf dem Cover. Allerdings hast du das Cover nicht gesehen. Du hattest nur das Tape, das ich dir gemacht hab'.«
    Ich bin mir sicher, daß er mir ein Liquorice-Comfits-Tape gemacht hat, und ich bin sicher, auch gesagt zu haben, es gefiele mir. Meine Wohnung ist voll von Tapes, die Dick mir gemacht hat, die meisten habe ich mir nie angehört.
    »Wie geht's dir überhaupt? Dein Wochenende? Gut? Nicht gut?«
    Ich kann mir nicht vorstellen, was für ein Gespräch wir führen würden, wenn ich Dick von meinem Wochenende erzählen würde. Er zerfiele wahrscheinlich zu Staub, wenn ich ihm erzählen würde, daß Laura ausgezogen ist. Dick versteht sich nicht besonders auf solche Sachen. Ich nehme sogar an, falls ich ihm jemals etwas entfernt privater Natur anvertrauen sollte – daß ich z. B. eine Mutter und einen Vater habe, oder daß ich mal zur Schule gegangen bin, als ich jünger war –, würde er schlicht erröten, ins Stammeln geraten und mich dann fragen, ob ich das neue Lemonheads-Album gehört hätte.
    »So lala. Durchwachsen.«
    Er nickt. Das war offensichtlich die korrekte Antwort.
    Der Laden riecht nach abgestandenem Rauch, Feuchtigkeit, Plastikschutzhüllen und ist eng, schmuddelig, schmutzig und vollgestopft, zum Teil, weil ich das so wollte
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