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Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!

Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!

Titel: Hexer-Edition 16: Stirb, Hexer!
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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niemanden, der nicht gewusst hätte, wofür ich Besuche vor der Mittagsstunde hielt: für vorsätzliche Körperverletzung.
    Verwirrt stand ich auf. »Ich gehe zur Tür«, sagte ich. »Harvey wird sicher noch schlafen.« Harvey Davidson war nun schon mein dritter Butler am Ashton Place, nach Henrys tragischem Tod und Charles’ Abschiebung ob der Geschehnisse um die Killer-Motten.
    Mary war wie fast immer schneller. Sie schüttelte nur stumm den Kopf, stellte die Glaskanne mit dem frisch gebrühten Kaffee vor mir auf den Tisch und rauschte aus der Tür, ehe ich auch nur Zeit fand zu widersprechen.
    Augenblicke später hörte ich sie oben die Haustür öffnen und in der nächsten Sekunde erkannte ich die Stimme meines alten Freundes Dr. Gray. Entspannt ließ ich mich wieder zurücksinken, schenkte mir einen neuen Kaffee ein und freute mich auf Grays Gesicht, wenn Mary ihn hereinführen würde.
    Meine Erwartungen wurden erfüllt. Gray erstarrte mitten im Schritt, als er mich am Küchentisch sitzen sah. Sein Unterkiefer klappte herunter und für einen Moment sah er ganz so aus wie jemand, der nichts ahnend um eine Ecke gebogen war und ein leibhaftiges Gespenst erblickt hatte. Aber er fing sich rasch wieder.
    »Robert?«, fragte er. »Sind Sie schon auf – oder noch?«
    »Beides«, gestand ich, deutete mit einer Kopfbewegung auf einen freien Stuhl und gab Mary gleichzeitig zu verstehen, eine weitere Tasse zu bringen. »Ich konnte nicht wieder einschlafen und Marys Kaffee hat mir geholfen, den Rest der Nacht zu überstehen. Was führt Sie mitten in der Nacht zu mir, Doktor?«
    Gray verbiss sich die Antwort, die ihm sichtlich auf der Zunge lag, nippte statt dessen an seinem Kaffee und klappte seinen Aktenkoffer auf, um einen Moment darin herumzukramen. »Ich hoffe, du hast dich mittlerweile wieder in London eingewöhnt, Robert«, sagte er, allerdings ohne mich anzusehen oder den Blick auch nur von dem Notizzettel zu nehmen, den er seinem Koffer entnommen hatte. »Es geht doch nichts über ein gemütliches Zuhause, oder?«
    Seine Worte brachten mich auf etwas, das ich beinahe vergessen hätte – und das zu erwähnen ich eigentlich keine Lust hatte. Der Morgen war trotz allem zu angenehm, um ihn mit Unangenehmem zu verderben. Aber wenn er schon einmal da war …
    »Nun ja, gemütlich ist es nicht unbedingt«, sagte ich. Gray blickte mich über den Rand seines Zettels hinweg prüfend an, besaß aber nicht den Anstand, mir ein Stichwort zu geben, sodass ich gezwungen war, weiterzureden. »Wenn mich nicht alles täuscht, mein lieber Doktor, habe ich Ihnen doch aus den Staaten gekabelt, dass Sie das Haus renovieren lassen sollen, bevor ich nach London zurückkomme, oder? Aber wenn ich mich so umsehe, hätte ich mir das Telegramm auch sparen können. Das Haus ist um keinen Deut besser eingerichtet als bei meiner Abreise. Ich habe eher im Gegenteil das Gefühl, dass während meiner Abwesenheit alles noch mehr verfallen ist. Haben Sie mein Telegramm nicht bekommen?«
    Gray legte sein Gesicht in kummervolle Falten und sah mich unglücklich an. »Doch«, sagte er.
    »Und?«
    Gray seufzte, ließ seinen Zettel vollends sinken und rückte seine Brille zurecht. »Robert, du weißt doch, dass ich jeden deiner Aufträge so schnell wie möglich ausführe«, sagte er vorwurfsvoll. »Natürlich habe ich auf dein Telegramm aus New York sofort reagiert. Du hättest das Haus vor vier Wochen sehen sollen – die reinste Großbaustelle.« Er warf einen Beifall heischenden Blick in Marys Richtung, die auch gehorsam nickte.
    »Und?« Allmählich begann ich wirklich ärgerlich zu werden. Gestern hatten der alte Harvey und Mrs. Winden ebenso herumgedruckst, als ich sie auf die nicht erfolgte Renovierung angesprochen hatte. Und jetzt schien Dr. Gray ebenfalls Gefallen daran zu finden, sich als faltige Sibylle zu produzieren.
    »Jetzt sagen Sie klipp und klar, warum mein Haus nicht renoviert wurde«, verlangte ich. »Ist nicht mehr genug Geld auf meinem Konto?«
    »Unsinn«, sagte Gray. Er beugte sich vor, gewann ein paar Sekunden damit, einen Schluck Kaffee zu schlürfen, und musterte mich weiterhin mit unglücklichem Blick. »Wir haben es ja versucht«, erklärte er. »Aber es ging nicht. Du weißt ja selbst, dass ich stets dafür war, Ashton Place 9 in einen Zustand zu bringen, der einem Haus wie diesem gebührt. Nicht, dass es verfallen aussieht. Wenigstens von außen nicht«, fügte er mit einem eindeutig unbehaglichen Blick in die Runde hinzu.
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