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Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers

Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers

Titel: Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Augen aufschlug und ihm antwortete. Eine sonderbare, grausam tiefe Kälte erfüllte ihn, das Gefühl sich besudelt, etwas unbeschreiblich Verachtenswertes getan zu haben, und gleichzeitig eine ebenso tiefe und ebenso schmerzende Liebe zu seinem Sohn, der bis zum nächsten Morgen durchschlafen und dann aufwachen würde, ohne zu wissen, dass er jemals einen Vater gehabt hatte. Es gab einen Teil in ihm, der ihm zuflüsterte, dass es sein musste, dass er keine andere Wahl hatte und dass dies der einzige Weg war, das Leben seines Kindes zu retten. Aber es gab auch noch eine andere Stimme, und sie schrie mit der Lautstärke einer Liebe, die auf Logik und klares Denken pfiff. In gewissem Sinne, dachte dieser andere, hysterische Teil von ihm, hatte er seinen Sohn ermordet. Er würde erwachen und das Fieber überwinden und gesund sein und erwachsen werden, und – vielleicht – sogar glücklich, aber das Kind, das am nächsten Morgen aus diesem Bett aufstehen würde, war nicht mehr Robert Andara, sein Sohn, sondern Robert Craven, ein Fremder. Sein suggestiver Befehl hatte alles getötet, was an diesem Kind sein gewesen war. Aber es würde leben.
    Montague/Andara stand auf, drehte sich mit einem Ruck herum und verließ das Zimmer, ohne auch noch ein einziges Mal zurückzublicken. Er wusste, dass er seinen Sohn nehmen und mit ihm davonlaufen würde, würde er es tun.
    Und ihn damit umbringen.
    Aber sein Gesicht war unbewegt wie immer, als er die Tür hinter sich zuzog. Niemand, der ihn nicht ganz genau gekannt hätte, hätte den Taifun einander widerstrebender Gefühle bemerkt, der hinter seiner Stirn tobte.
    Maude Craven stand am Fenster und blickte auf die Straße hinaus, als er aus dem Schlafzimmer kam, drehte sich jedoch mit einer fast erschrockenen Bewegung herum und trat einen Schritt auf ihn zu.
    »Er schläft jetzt«, sagte Montague. »Ich … habe ihm etwas gegeben, damit er bis zum nächsten Morgen durchschlafen kann. Das Beste wird sein, sie lassen ihn ganz in Ruhe.«
    Das unmerkliche Stocken in seinen Worten war Miss Craven nicht entgangen, und wieder blitzte ein kurzes, misstrauisches Funkeln in ihren Augen auf. »Etwas gegeben?«, wiederholte sie. »Ist er denn krank?«
    »Ein wenig Fieber«, gestand Montague, und fügte hastig hinzu: »Aber nichts Ernsthaftes. Wir waren in letzter Zeit viel unterwegs. Ich fürchte, ein wenig zu viel für einen dreijährigen Jungen.« Er lächelte beruhigend. »Ein paar Tage Ruhe, und er ist wieder auf den Beinen.«
    Zu seiner eigenen Überraschung ging Maude Craven nicht weiter auf das Thema ein, sondern blickte ihn nur noch eine Sekunde lang zweifelnd an; dann schüttelte sie den Kopf, deutete ein Achselzucken an und wies auf einen Stuhl. »Nehmen Sie Platz, Mister Montague. Ich werde Ihnen etwas Kaltes zu Trinken besorgen.« Sie lächelte entschuldigend. »Allerdings kann ich nur mit Milch oder Orangenlimonade dienen. Wenn Sie an stärkere Sachen gewöhnt sind, muss ich Sie enttäuschen.«
    Der Mann, der ich selbst Roderick Montague nannte und in Wahrheit Roderick Andara hieß, lächelte flüchtig, wurde jedoch sofort wieder ernst. Er schüttelte ablehnend den Kopf. Er machte auch keine Anstalten, der Einladung zu folgen und sich zu setzen. »Ich fürchte, ich werde nicht lange genug bleiben können, um Ihre Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, Miss Craven«, sagte er.
    Diesmal dauerte es volle fünf Sekunden, bis Maude verstand, was er mit seinen Worten ausdrücken wollte. Irgend etwas geschah mit ihr, was Montague nicht in Worte fassen konnte – aber er glaubte regelrecht zu sehen, wie sie innerlich zu Eis erstarrte. »Sie … Sie wollen -«
    »Ich muss sofort Weiterreisen«, unterbrach sie Montague. »Die Kutsche wartet. Ich kann nicht bleiben. Nicht einmal auf einen Kaffee oder ein Glas Limonade. Es tut mir leid, aber ich habe keine Wahl.«
    »Das meinen Sie nicht ernst«, sagte Maude stockend. »Sie … Sie kommen hierher, um mir Ihren Sohn anzuvertrauen, vielleicht für Jahre, und -«
    »Vielleicht für sehr viele Jahre«, sagte Montague leise. »Es ist möglich, dass Sie mich niemals wieder sehen, Miss Craven.«
    Maude starrte ihn an. Sie war bleich geworden, und ihre Augen waren weit vor Unglauben und … Angst? Ja, es war zumindest etwas ähnliches wie Angst, was er in ihrem Blick las. Etwas, was vielleicht schlimmer war: Verachtung. Wie gut er diesen Blick doch kannte.
    »Ich glaube es einfach nicht«, sagte Maude schließlich. »Sie kommen hierher, legen Ihr
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