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Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers

Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers

Titel: Hexer-Edition 01: Die Spur des Hexers
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Strafe dafür aussehen mochte, und was es bedeutete, in den Dienst eines Herren zu treten, dem das Wort »Vergeben«, fremd war.
    Aber er schrie nicht einmal. Gelähmt und starr vor Entsetzen stand er da, bis der Tentakel ihn in die Tiefe zerrte. Er machte nicht einmal einen Versuch, sich zu wehren. So langsam, wie er gekommen war, glitt der schwarze Riese wieder in die lichtlosen Tiefen des Meeres zurück.
     
    Andara stand noch lange da und starrte das schwarze Wasser an, auch, als der Koloss längst verschwunden und selbst das unheimliche grüne Lohen erloschen war, das sein Erscheinen begleitet hatte. Er hörte, wie sich die Grotte allmählich leerte, als auch die letzten flohen, endlich befreit von Necrons unsichtbaren Fesseln und halb wahnsinnig vor Entsetzen. Aber er spürte noch immer nichts. Nur einen dumpfen, erst im Erwachen begriffenen Schmerz, der schlimmer werden würde. Er hatte gesiegt. Er hatte seinen Erzfeind geschlagen, und Necron hatte schließlich doch bezahlt, für den Verrat, den er begangen hatte.
    Aber um welchen Preis.
    Nach einer Weile hörte er Schritte. Die Geräusche eines menschlichen Körpers, der sich durch hüfthohes Wasser bewegte. Aber er rührte sich noch immer nicht. Erst, als ihn eine Hand an der Schulter berührte, erwachte er halbwegs aus seiner Betäubung und wandte wenigstens den Kopf.
    H.P. stand neben ihm. Sein Gesicht war bleich und blutüberströmt. Aus seiner aufgeplatzten Lippe und einem hässlichen Riss über dem Auge rann Blut, und seine Wange hatte sich schwarz verfärbt, wo ihn ein Stiefeltritt getroffen hatte. Und trotzdem stand in seinen Augen ein fast triumphierendes Lächeln.
    In diesem Moment verachtete Andara ihn fast ebenso sehr wie Necron.
    »Es ist vorbei, Roderick«, sagte H.P. »Wir haben gesiegt.«
    »Gesiegt?« Das Wort kam sehr bitter von seinen Lippen.
    H.P. nickte. Ein Ausdruck vager Trauer mischte sich in die Erleichterung auf seinen Zügen. »Sie sind frei, Roderick. Du hast sie befreit. Innsmouth war jahrelang gefangen. Du hast den Bann gebrochen.«
    »Du hast mich benutzt«, sagte Andara leise. Seine Worte waren frei von Vorwurf. Es war eine reine Feststellung von Tatsachen, mehr nicht. Aber sie tat weh. »Du hast es die ganze Zeit über gewusst, nicht wahr? Necron hat die Wahrheit gesagt.« Er versuchte, H.P. zu hassen, aber es gelang ihm nicht. Er fühlte nur Verbitterung. Und einen tiefen, unendlich tiefen Schmerz, wo doch eigentlich Erleichterung sein sollte.
    »Das ist wahr«, seufzte H.P. »Aber es musste sein. Ich … habe lange nach jemandem wie dir gesucht. Jemandem, der stark genug war, ihn zu besiegen.« Er deutete auf das Wasser, in dem der Titan verschwunden war. »Aber ich konnte es dir nicht sagen, ohne alles zu gefährden.«
    »Du hast mich benutzt«, sagte Andara erneut. »So wie alle anderen.«
    »Es … tut mir leid«, murmelte H.P. »Aber der Preis war den Einsatz wert.« Er lächelte, griff mit klammen Fingern in seine Rocktasche und zündete sich eine seiner schwarzen Zigarren an. Seine Hände zitterten.
    »Robert war niemals in Gefahr«, fuhr er fort, leise, in fast flehendem Ton und ohne Andara anzusehen. »Es sind gute Leute, die auf ihn acht gegeben haben. Sie hatten nur Angst vor Necron, das war alles.«
    »Warum hast du es mir nicht gesagt?«
    »Weil ich Angst hatte«, gestand H.P. »Angst, dass du Robert nehmen und gehen würdest. Es … es tut mir leid, Roderick«, sagte er noch einmal. »Aber ich hatte keine Wahl. Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst. Aber ich … ich wäre glücklich, wenn es nicht so wäre. Ich würde gerne dein Freund sein, Roderick. Ich brauche dich.« Er sog an seiner Zigarre und blies eine graue Rauchwolke auf das Wasser herab. »Und du mich«, fügte er hinzu.
    »So?«, fragte Andara leise. »Und wozu?«
    »Es gibt noch eine Menge zu tun.« Er deutete auf das schwarz daliegende Wasser. »Er ist besiegt, aber nicht geschlagen.«
    Tun? dachte Andara bitter. Was sollte es noch geben, das irgendeinen Sinn für ihn machte. Er hatte alles getan. Er hatte den größten Kampf seines Lebens gekämpft – und gewonnen.
    Aber um welchen Preis.
    Großer Gott, um welchen entsetzlichen Preis!
    »Und jetzt?«, fragte er mit zitternder Stimme.
    H.P. lächelte und blies eine weitere Rauchwolke in die Luft. »Jetzt«, sagte er leise, »holen wir deinen Sohn, Roderick.«

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