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Hexenzorn

Titel: Hexenzorn
Autoren: T. A. Pratt
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nicht.«
    »Was?«, fragte Rondeau. »Mein Kommentar oder der Film?«
    Marla ignorierte ihn und blickte die Straße hinab. Natürlich sahen manche Leute sie an oder schauten zumindest in ihre Richtung, schließlich war es eine belebte Straße. Scheiß drauf. Sie packte Rondeaus Handgelenk und schlüpfte an dem Tisch mit den Bootleg-Videos vorbei in einen gefalteten Raum, das Versteck eines Zauberers.
    Sie betraten einen großen Raum, der aussah wie eine Mischung aus einem Kräuterladen und dem Cockpit eines
Raumschiffs. Böden, Wände und Decken glänzten weiß. Die Ecken waren nicht rechtwinklig, sondern sanft gerundet, und überall standen hohe, dunkle Holzregale in seltsamen (und wahrscheinlich magischen) Winkeln zueinander. Sie waren vollgestopft mit Blechdosen, Flaschen, Krügen und Plastiktüten; in den meisten schienen sich Kräuter zu befinden. Marla interessierte sich nicht für Kräuterzauber. Sie hatte sich nie mit Gewächsen aufgehalten, die sich nicht in einem Topf auf der Feuerleiter züchten oder einfach auf einem Rangierbahnhof pflücken ließen. Die Luft hätte mit allen möglichen Düften geschwängert sein müssen, stattdessen roch der Raum seltsam neutral, mit einem Hauch von Antiseptikum.
    Vor der hinteren Wand erstreckte sich eine lange Edelstahltheke. Eine getarnte Tür schwang dahinter auf, und ein älterer Asiat in einer dunklen Robe kam zum Vorschein. Ihm folgte ein weitaus weniger elegant aussehender jüngerer Mann, wahrscheinlich sein Schüler. Marla erhaschte einen kurzen Blick auf den Raum hinter der Tür, in dem jemand nackt auf einem Untersuchungstisch lag, den Körper mit roten Pusteln übersät.
    Die Tür schwang wieder zu, und Marla konzentrierte sich auf den Mann hinter der Theke. Der Schüler war in Wahrheit eine Frau, die sich wie ein Mann kleidete, und das machte sie sehr gut; als Marla gerade erst nach Felport gezogen war, hatte sie in den weniger vornehmen Vierteln der Stadt als Kellnerin gearbeitet, und sie hatte immer noch ein gutes Auge für Verkleidungen. Aber das hier war San Francisco, und Drag war hier ziemlich angesagt, also gab es keinen Grund, überrascht zu sein. Allem Anschein nach war der Mann der Meister, und das junge Mädchen war entweder
seine Schülerin oder seine Dienerin. Der Alte sagte etwas auf Chinesisch zu Marla, wahrscheinlich in Kanton, dem am weitesten verbreiteten Dialekt in Chinatown, und sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, Leute, tut mir leid. Ich spreche Englisch, und mit Französisch komme ich halbwegs zurecht, mein Freund hier kann Spanisch und kennt ein paar Flüche aus der Zeit vor dem Fall Babylons. Aber keiner von uns beiden spricht auch nur das kleinste bisschen Chinesisch.«
    »Was wollen Sie?«, fragte das Mädchen in bestem, akzentfreiem Englisch.
    Marla sah den Meister an. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, aber sie hatte den Verdacht, dass er ebenso gut Englisch verstand wie das Mädchen. »Wir suchen nach Informationen.«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf und verneigte sich um den Bruchteil eines Winkelgrads.
    »Wir verkaufen Kräuter, keine Informationen«, sagte die Schülerin. Sie versuchte, Marla und Rondeau gleichzeitig im Auge zu behalten, was schwierig war, weil Rondeau mittlerweile gedankenverloren zwischen den Regalen herumschlenderte und hier und da Gegenstände betatschte.
    »Ich suche einen Mann namens Lao Tsung«, sagte Marla.
    Der alte Mann rümpfte die Nase, und das Mädchen kicherte. Anscheinend versuchte sie nicht länger, höflich zu erscheinen. »Und Sie glauben, dass alle Chinesen sich untereinander kennen?«
    Marla rollte mit den Augen. »Sehen Sie, da, wo ich herkomme, halten wir uns darüber auf dem Laufenden, welche wichtigen Magier in der Gegend sind. Lao Tsung lebt seit mehreren Jahren in dieser Stadt, und er ist ein mächtiger
Magier. Eigentlich ist er auch gar kein Chinese. Er ist Mesopotamier und lebt schon sehr, sehr lange, falls Sie das etwas beruhigt. Ich dachte nur, Sie wüssten vielleicht, wo er ist, das ist alles. Falls Sie mir nicht helfen können …«
    Der alte Mann blickte nachdenklich zur Decke. »Tausend Dollar«, sagte er in sprödem, leicht britisch angehauchtem Englisch. »Das ist der Preis für die Information, die Sie suchen.«
    Marla runzelte die Stirn. »Sehen Sie, ich könnte auch einfach ein Huhn aufschneiden und in seinen Eingeweiden nachsehen. Ich verfüge über die Gabe der Haruspexie. Ich dachte nur, es ist weniger blutig, wenn ich einen Einheimischen frage. Ich hatte nicht
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