Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat
Autoren: Annegrit Arens
Vom Netzwerk:
Es war ein sehr lebendiges Gefühl. Nachts wachte sie manchmal auf, weil ihre Finger und Zehen taub waren. »Das hat gutgetan«, sagte sie. Natürlich hatte sie Power. Sie mußte sie nur herauslassen.
    »Jetzt siehst du aus wie die Oberhexe persönlich.« Andrea betrachtete sie, dabei bog sich der dünne Hals zur Seite.
    »Ich bin die Oberhexe«, lachte Anna. »Also, ich habe da eine Idee.« Sie begann zu reden, Andrea schüttelte den Kopf. Anna hörte erst auf zu reden, als aus dem Kopfschütteln ein Nicken wurde. »Du wirst sehen«, sagte Anna, »das schafft ihn.«
    »Das schafft ihn«, wiederholte Andrea. Es klang wie eine Beschwörungsformel.
     
    Till saß in seinem Zimmer. Er hatte sich den kleinen Holztisch ans Fenster gerückt und versuchte zu schreiben. Von dem Stapel Papier lagen bereits etliche Bogen zusammengeknüllt im Papierkorb. »Liebe Anette …« Schon die Anrede war blöde, aber er konnte auch nicht »Liebste« schreiben, denn es sollte kein Liebesbrief werden.
    Till wußte nun, warum er mittwochs nicht kommen sollte.
    Anette hatte ihm erklärt, daß sie mittwochs immer zu ihrer Mutter führe. »Und abends?« hatte er gefragt. »Ich brauche auch mal Ruhe, einfach so«, hatte sie erwidert. Aber donnerstags, nachdem sie ihre Ruhe gehabt hatte, war sie besonders spröde, und küssen durfte er sie überhaupt nicht. Also war er ihr nachgefahren. Es war dieser Anselm.
    Auf der Gala in Hamburg hatte Till Anselm Husser die Hand schütteln müssen, ihm und seiner Frau. Anette hatte vorgestellt und gelächelt, sie war sehr schön gewesen an jenem Abend. Als sie sich bei Till eingehakt und gesagt hatte »komm, es wird Zeit für uns«, da hatte er sich als Sieger gefühlt.
    Dieser Anselm besuchte sie. Einmal die Woche. Jeden Mittwoch. Es war eine Sechs-Stunden-Liebe. Till sah sie an all den anderen Tagen, sie schlief mit ihm, am Wochenende durfte er über Nacht bei ihr bleiben, er war nicht mehr zu Ramona und nicht mehr zu Andrea gegangen, es hatte nur noch Anette für ihn gegeben, bis zu dem Mittwoch. Mittwochs kam der andere.
    »Du mußt dich entscheiden«, wollte er schreiben. Aber er traute sich nicht. Er suchte nach Formulierungen, die sanfter klangen, es hörte sich alles jämmerlich und hölzern und theatralisch an. Er konnte es ihr nicht schreiben. Sagen konnte er es ihr auch nicht. Er hatte Angst, sie würde sich für diesen Anselm entscheiden.
    Er war wieder bei Ramona gewesen. Mittwochs. Anette lag mit dem anderen im Bett. Die Wut war in sein Glied geschossen, und er hatte es wie einen Prügel benutzt, hinterher hatte es ihm selbst weh getan. Ramona war wie erstarrt gewesen. Als sie losheulte, hatte er sich vorgestellt, es wäre Anette, die sich jammernd und mit rund gebogenem Rücken über den Waschbeckenrand beugte. Das hatte gutgetan.
    Er mußte Anette anrufen. Er sah auf seine Uhr, es war kurz vor sieben, in einer halben Stunde erwartete sie ihn. Till hatte einen Tisch bei ihrem Lieblingsfranzosen bestellt. Allmählich haßte er französische Küche. Sie würde sich wundern, wenn er jetzt anriefe. Er stand auf und ging die Treppe hinunter, das Aufladegerät mit dem Telefon stand auf seinem Schreibtisch im Wohnzimmer. Er griff schon danach, nichts. »Verdammt!« brüllte er, »wo ist mein Telefon?« Er bekam keine Antwort.
    Aus Annas Zimmer, aus dem Schlafzimmer, drang Murmeln und Lachen. Womöglich lachten sie über ihn. In letzter Zeit telefonierte sie auffällig oft, er fragte sich, mit wem. Es war nicht typisch für sie, auch dieses Gekichere und Gequatsche paßte nicht. Till hob die Faust und hämmerte gegen die Tür. »Ich will mein Telefon, verdammt!« Anna ließ ihn mindestens fünf Minuten vor der verschlossenen Tür stehen, dann machte sie auf und reichte ihm das Ding. »Bitte sehr.«
    Till packte das Telefon und machte kehrt, er sagte nichts, er würde ihr schon zeigen, was lief. Er legte das Telefon auf den Holztisch vor dem Fenster und bückte sich, um das Knäuel Briefpapier aus dem Papierkorb zu klauben. Er würde es in den großen Mülleimer stopfen, gleich, wenn er zu Anette fuhr. Zum Telefonieren war er jetzt zu nervös.
    Er wollte schon hinausgehen, da surrte der schwarze Apparat auf dem Holztisch. »Liebold«, sagte er, dann war er für eine Weile still. Die Anruferin war Andrea. Andrea war fast noch ein Mädchen. Es war unglaublich, was sie ihm auftischte. Sie wäre schwanger von ihm, sagte sie. Er hatte eine Ewigkeit nicht mehr mit ihr geschlafen, er rechnete zurück, es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher