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Hexenopfer

Titel: Hexenopfer
Autoren: Beverly Barton
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offensichtlich geschafft, alles Negative, das seinem Geist entsprang, auszuschalten und es ihr somit erschwert, ihn richtig zu deuten. Sie hatte es sich zur Regel gemacht, nicht in den Geist anderer Menschen vorzudringen, wenn sie es nicht erlaubten. Hätte sie doch nur gegen ihre Prinzipien gehandelt und hinter die freundliche, nette Fassade geschaut, die er der Welt zeigte.
    Er streckte die Hand aus und entfernte den Knebel aus ihrem Mund. »Hier oben kannst du schreien, so viel du willst, niemand wird dich hören.«
    »Warum?«, fragte sie. »Sag mir, warum?«
    Er packte sie am Rückenteil ihres Hemdes und schleifte sie über den Boden in die Höhle. Kleine, scharfe Kieselstücke und ausgezackte Ränder von herabgewehten Zweigen zerkratzten ihr den Rücken, das Gesäß und die Beine. Sie biss die Zähne zusammen und ertrug den Schmerz, fest entschlossen, nicht aufzuschreien, ihm nicht die Befriedigung zu verschaffen, sie weinen zu hören. Er zerrte sie ans Feuer und ließ sie los.
    »Du, Genevieve Madoc, bist meine krönende Vollendung«, erklärte er ihr. »Nachdem Mutter gestorben war, habe ich mich aufgemacht, ihr – und der Welt – zu beweisen, dass ich kein Schwächling bin, dass ich, obwohl meine eigenen hellseherischen Fähigkeiten beschränkt waren, eine Möglichkeit finden würde, der mächtigste aller irdischen Geister zu werden. Ich habe jahrelang gesucht, habe meine Opfer sorgfältig ausgewählt und immer diejenigen genommen, die ganz besondere Kräfte besaßen.«
    Genny musste schlucken. »Deine Opfer hatten nicht alle die Gabe. Nur die fünften.«
    Sein Lächeln wurde breiter. Seine hellen, kristallblauen Augen funkelten in bösartigem Entzücken. »Sehr kluge Beobachtung. Dein Geliebter ist ein intelligenter Mann, aber nicht intelligent genug, mich zu fassen.«
    »Dallas wird dich fassen, und wenn er dich für den Rest seines Lebens verfolgen muss. Du wirst ihn nie los.«
    »Sobald ich deine Macht erlangt habe, werde ich jenseits aller von Menschenhand geschaffenen Gesetze stehen. Niemand kann mich dann mehr berühren.«
    »Und wie willst du an meine Macht kommen?«, fragte sie, wohl wissend, dass er die Absicht hatte, sie umzubringen und so zu opfern wie all die anderen armen Frauen.
    »Du musst natürlich geopfert werden.« Er fuhr ihr mit den Fingerspitzen vom Hals zum Bauch.
    Sie krümmte sich, verabscheute seine Berührung, fürchtete sich davor, was er als nächstes tun würde. »Und nachdem ich geopfert bin?«
    »Mutter hat mich gelehrt, dass die Macht eines Menschen im Herzen liegt und diese einzigartigen Fähigkeiten nur ein paar auserlesenen Menschen gegeben sind – so wie sie einer war – und in einen anderen übertragen werden, wenn man ihr Herz verzehrt.«
    Genny schloss die Augen. Lass dich nicht von deiner Angst einholen. Konzentriere dich darauf, einen Fluchtweg zu suchen und eine telepathische Verbindung mit Dallas herzustellen. Wenn du in Panik gerätst, wenn du zulässt, dass dich das schiere Entsetzen vor seinen Absichten lähmt, wird er gewinnen – und du wirst dein Leben verlieren.
    »Erzähl mir mehr über deine Mutter.« Welche Dämonen ihn auch quälen mochten, er musste sie schon als kleines Kind von seiner Mutter übernommen haben.
    »Mutter war eine mächtige Hexe.« Er kniete neben Genny nieder. »Sie war eine echte Hohepriesterin.« Er lachte, und der Laut war täuschend sanft. »Nicht wie Esther Stowe, die eine Schwindlerin war. Die dumme kleine Hexe war nichts weiter als eine Hure, die versuchte, sich als Priesterin auszugeben.«
    »Deine Mutter war …« Als er ein Messer aus seiner Hosentasche zog, spannte sie sich an. »Deine Mutter war dir sehr wichtig. Du musst sie sehr geliebt haben.«
    Er packte den oberen Rand von Gennys Krankenhemd, senkte das Messer und schlitzte den dünnen Stoff vom Halsausschnitt bis zum Saum auf. Genny erschauderte, eher vor Ekel und böser Vorahnung, als vor der winterlichen Kälte.
    »Sie geliebt?« Er neigte den Kopf zur Seite, als hörte er jemandem zu. »Ja, Mutter, ich sollte es ihr sagen, nicht wahr?«
    »Mir was sagen?«
    »Ich hatte Angst vor ihr. Ich fürchtete mich vor ihrer Macht. Ich war eine große Enttäuschung für sie, verstehst du, weil meine Begabung dem Vergleich mit ihrer nicht standhielt. Sie dachte, ich würde ein großer Hexenmeister, aber nein, der war ich nicht, doch ich habe mich ihr als nützlich erwiesen. Ich habe ihr bei den Opferungen assistiert und von ihr gelernt, wie wichtig das fünfte Opfer
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