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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind
Autoren: Sabine Thiesler
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wollte.
    »Hier ist sicher«, sagte er noch einmal. »Du kannst hier sein, so lange du willst. Aber wenn Kind schreit, er dich findet.«
    Sarah wurde leichenblass. »Daran hab ich noch gar nicht gedacht.«
    »Gib ein Schluck Wein, wenn sie aufwacht. Dann sie schläft gut.« Er grinste. »So macht man in Italien. Und Kinder sind alle gesund.«
    Sarah grinste und blickte zu Boden.
    »Hast du Hunger?«, fragte Romano.
    Sarah schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich bin hundemüde. Kann Elsa hier liegen bleiben?« Romano nickte.

    »Okay. Du bist wirklich in Ordnung.« Sie stutzte. »Jetzt hab ich deinen Namen schon wieder vergessen.«
    »Romano«.
    »Du bist ein prima Typ, Romano.«
    Sarah stand auf und marschierte geradewegs ins Schlafzimmer. Es dauerte keine fünf Sekunden, da hatte sie Schuhe, Jeans, T-Shirt und Unterhose ausgezogen und war splitterfasernackt unter der Bettdecke verschwunden. Romano stand unschlüssig in der Tür und war völlig verunsichert.
    »Komm her!«, schnurrte sie und gähnte herzhaft. »Oder willst du die ganze Nacht da stehen bleiben?«
    Romano schüttelte den Kopf wie ein Schuljunge, der beim Abschreiben erwischt worden war, aber immer noch alles abstritt. Langsam ging er zum Bett, zog seine Sachen aus und schlüpfte zu Sarah unter die Bettdecke.
    »Gute Nacht«, sagte er und drehte ihr den Rücken zu, um ganz klar zu signalisieren, dass er keinerlei Absichten in irgendeiner Richtung hatte.
    Sarah schmiegte sich eng an seinen Rücken, legte den Arm um ihn und vergrub ihr Gesicht in seinem Nacken.
    »Jetzt ist alles gut«, flüsterte sie, und Sekunden später war sie eingeschlafen.
    Romano wagte es die ganze Nacht nicht mehr, sich zu bewegen.
     
    Sarah und Romano wachten beinah gleichzeitig auf, als aus dem Ghettoblaster in ohrenbetäubender Lautstärke »In the army now« von Status quo grölte. Elsa, die an den Knöpfen herumgespielt hatte, erschrak selber über diese »Musikexplosion«, sodass sie auf der Stelle anfing zu brüllen. Sarah war blitzschnell bei ihr, schaltete den Rekorder
aus und nahm Elsa in die Arme. Elsa schlug um sich. Sarah drückte sie auf den Teppich, fixierte mit ihren Armen jeweils einen Arm und ein Bein ihrer Tochter und rief Romano zu Hilfe.
    Romano hatte sich inzwischen angezogen und schaffte es, Elsa zu beruhigen, während Sarah in Windeseile in ihre Sachen stieg.
    »Zehn Minuten«, sagte sie. »Wenn er dann nach diesem Geschrei nicht hier ist, kann ich rübergehen. Dann ist er nicht mehr in der Wohnung.«
    »Wo kann er sein?«
    »Bei irgendwelchen Freunden, Bekannten, bei seinem Dealer, was weiß ich. Ich hab mich für diese Typen nie interessiert. Das Problem ist, dass Franky im Moment einfach nicht allein sein kann. Er verbringt lieber die ganze Nacht am Tresen in einer finsteren Eckkneipe, als dass er allein in einem Bett und in einer Wohnung schläft, in der außer ihm niemand ist.«
    »Willst du Kaffee? Ich mach Espresso!«
    »Nein danke.« Sarah stand im Bad, wusch sich das Gesicht, trank gierig einige Schlucke kaltes Leitungswasser und bürstete sich die Haare mit Romanos Bürste. »Weißt du, Franky ist im Grunde’ne arme Sau. Aber ich hab die Faxen dicke. Ich zieh bei ihm aus. Lieber heute als morgen.«
    »Lentamente. Ich arbeite, du bist hier. Kein Problem.« Er gab ihr die Visitenkarte der Pizzeria, in der er die meiste Zeit anzutreffen war.
    Sarah schob sie in die hintere Jeanstasche. »Nett von dir. Danke. Ich meld mich auch. Ganz bestimmt.«
    Dann nahm sie Elsa an der Hand und zog sie hinter sich aus der Wohnung.

    Romano hörte, wie sie ihre Wohnungstür aufschloss. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, fühlte er sich unerträglich einsam.
    Er begriff bereits in diesem Moment, dass es um seine Ruhe geschehen war. Von nun an würde Sarah nicht mehr aus seinen Gedanken und Träumen verschwinden. Und zum ersten Mal sah er, wie kahl und kalt seine Wohnung war, da war nichts Persönliches, nichts, das von seinem Leben erzählte. Er wohnte nicht in einer Wohnung, sondern in einer Unterkunft, und er wünschte sich sehnlich, ihr irgendwann zeigen zu können, wie er in Italien lebte. In einem alten Haus am Rande eines mittelalterlichen Ortes, in dessen Garten Olivenbäume, Lavendelbüsche und Salbeigewächse wucherten und der das ganze Jahr über nach Rosmarin duftete.
    Er stand am Fenster und sah auf die befahrene Straße, beobachtete, wie sich Autofahrer um Parkplätze stritten, und registrierte, dass gegenüber alle dreißig Sekunden irgendjemand
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