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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind
Autoren: Sabine Thiesler
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Pressekonferenz gebracht«, sagte sie, und Neri winkte ab. »Ist nicht wichtig«, meinte er lässig und schob ihr sein Geschenk über den Tisch. »Für dich, cara.« Gabriella riss ungeduldig das Papier auf und fiel ihm um den Hals, als sie den Bildband und den kitschigen Rosenkranz sah. »Oh, Neri«, hauchte sie, »endlich endlich, endlich ist es so weit. Endlich können wir hier weg. Ich bin richtig stolz auf dich.«
    So glorreich, wie er Gabriella jetzt die Pressekonferenz schilderte, war sie gar nicht gewesen. Immer noch sah er den hell gefliesten Saal mit den vereinzelten schmalen Säulen, die wie Bleistifte herumstanden, vor sich. Er erinnerte sich an die hohen verstaubten Fenster und die mit Plastik
ummantelten Neonröhren an der Decke, die trotz Sonnenschein alle brannten. Die Atmosphäre in dem Raum war grau, grell und kalt und ließ einem das Blut in den Adern gefrieren.
    Der Capo der Carabinieri di Arezzo, der Polizeichef der Provinz, eröffnete die Pressekonferenz, begrüßte die Journalisten und forderte Neri auf, einen Bericht über den Stand der Ermittlungen abzugeben.
    Neri fing an zu reden. Er hörte seine Stimme, die durch den Saal tönte und ihm völlig fremd erschien, machte sich Gedanken über das leichte Echo, das seine Worte wie ein Hall einnebelte, und hatte Schwierigkeiten, darauf zu achten, was er sagte. Genauso wenig wie er die einzelnen Fragesteller auseinanderhalten konnte. Er fürchtete sich vor der Meute der Journalisten und hoffte, die Tortur möge bald zu Ende gehen.
    »Ich bin glücklich und erleichtert, Ihnen heute den Mörder der beiden Frauen präsentieren zu können, die in einem einsamen Haus im Wald ermordet und mit durchgeschnittenen Kehlen aufgefunden wurden. Es handelte sich um Mutter und Tochter. Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig, Spuren konnten nur unzureichend sichergestellt und miteinander verglichen werden, da im zweiten Fall, dem Mord an der einundzwanzigjährigen Tochter Sarah Simonettis, die Leiche zum großen Teil verkohlt war. Der Mörder hatte nach der Tat das Haus in Brand gesteckt. Dennoch konnten wir mit Sicherheit in beiden Fällen ein Sexualdelikt oder einen Raubmord ausschließen.« Neri brach der Schweiß aus. Er konnte sich nicht erinnern, schon jemals so lange und komplizierte Sätze formuliert zu haben, und dann noch vor so vielen versammelten Menschen,
die nur darauf warteten, über ihn herfallen und in der Luft zerreißen zu können.
    Noch war es totenstill im Saal, und Neri fuhr fort: »Da wir in beiden Fällen weder Hinweise auf einen Einbruch und auch keine Kampfspuren gefunden haben, gingen wir davon aus, dass die Opfer ihren Mörder gekannt haben. Vielleicht sind sie sogar im Schlaf getötet worden. Wir begannen also, ganz besonders gründlich das soziale Umfeld der beiden Frauen zu durchleuchten.«
    Ein Journalist meldete sich zu Wort. »Meines Wissens haben Sie den Ehemann der Signora Simonetti verhaftet?«
    »Zeitweilig. Ja.«
    »War das nicht etwas vorschnell?«
    »Ich denke nicht, nein. Signora Simonetti hatte seit Monaten einen Geliebten. Ihr Ehemann hatte demnach ein Motiv und kein Alibi für die Tatzeit. Außerdem fehlte aus seiner Küche ein Messer, das die Mordwaffe hätte gewesen sein können.«
    »Haben Sie die Mordwaffe gefunden?«
    »Nein.«
    »Warum haben Sie Romano Simonetti wieder freigelassen?«
    »Weil Elsa Simonetti ermordet wurde, während er in der Justizvollzugsanstalt saß. Außerdem hatte er für den Mord an seiner Stieftochter kein Motiv.«
    »Elsa ist nicht Romano Simonettis Tochter?«
    »Nein. Sie hatte einen deutschen Vater, der aber verstorben ist.«
    »Verstehe. Aber sind Sie sicher, dass es nicht zwei Mörder gibt?«
    »Ja.«

    »Warum?«
    »Weil dann zumindest ein Triebtäter im Spiel sein müsste. Als Nachahmer sozusagen, um einem Verdächtigen eine zweite Tat in die Schuhe zu schieben. Aber es gibt kein Sexualdelikt. Auch nicht bei Elsa.«
    Die Journalisten schrieben eifrig mit, Neri stürzte ein Glas Wasser hinunter.
    »Es gibt noch einen Pilzesammler und einen Jäger, die beide unabhängig voneinander die Leiche entdeckt haben. Nur dass der Pilzesammler nicht wagte, das Verbrechen der Polizei zu melden. Aber beide haben für die Tatzeit wasserdichte Alibis und nicht das entfernteste Motiv für die Tat.«
    »Gibt es verwertbares DNA-Material?«
    »Wenig. Nur eins steht fest: Sarah Simonetti hatte vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann und mit niemandem sonst.«
    »Wer ist der Täter,
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