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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind
Autoren: Sabine Thiesler
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Untersuchungen ergeben, die DNA-Analyse stünde aber noch aus. Auf keinen Fall sei die Tote bei dem Brand ums Leben gekommen, Todesursache war eindeutig der gewaltige Schnitt durch die Kehle. Insofern war davon auszugehen, dass der Mörder diesmal auch das Haus in Brand gesteckt hatte. Im Magazin wurden Brandbeschleuniger und ein Benzinkanister gefunden.
     
    »Ich werde wahnsinnig«, sagte Neri und schlug mit der Faust gegen die Wand. »Kein Mensch mordet ohne Motiv. Auch wer einen extremen Dachschaden hat, hat einen
Grund. Der Einzige, der ein Motiv hätte, ist Romano. Und der sitzt im Knast und kann es nicht gewesen sein.«
    »Außerdem hätte er kein Motiv, seine Tochter umzubringen. Eifersucht kommt bei ihr ja wohl nicht in Frage«, ergänzte Tommaso.
    »Stimmt«, knurrte Neri. »Also gibt es im gesamten Umfeld dieser Familie keinen Einzigen, der ein Motiv hätte, beide Ladies umzubringen. Aber wer bitte hat Zugang zur Trattoria, um sich dort ständig mit Messern zu bedienen? Das alles ist ein disastro, Tommaso, una catastrofe!«
    »Es gibt ein Motiv. Ganz bestimmt gibt es ein Motiv. Wir kennen es nur noch nicht.«
    Neri seufzte. Einen Klugscheißer wie Tommaso konnte er an einem Tag wie diesem überhaupt nicht vertragen.
     
    Sie fuhren direkt nach Siena. Das Schreibutensiliengeschäft war um diese Zeit noch geschlossen, aber Neri wollte Antonio Graziani auch lieber zu Hause überraschen und mit der Frage konfrontieren, wo er in dieser Nacht gewesen war. Er wollte ihn ein einziges Mal unkontrolliert, erschrocken oder fassungslos erleben.
    Aber in der Via Pellegrini war niemand zu Hause. Neri klingelte derartig Sturm, dass eine Nachbarin das Fenster aufriss und fragte, was los sei.
    Neri stellte sich vor und fragte nach Signor Graziani.
    »Der ist in Grosseto«, erklärte die Nachbarin. »Schon seit drei Tagen. Seine Mutter wird fünfzig, und da wurde das ganze Wochenende gefeiert. Aber eigentlich wollte er heute im Laufe des Tages wiederkommen.«
    Neri bedankte sich und stieg wieder ins Auto.
    »Fehlanzeige.« Er schlug mit der flachen Hand aufs
Lenkrad. »Wenn die Familie in Grosseto das, was die Nachbarin sagt, bestätigt, hat er ein wasserdichtes Alibi. Es ist zum Verrücktwerden.«
    »Aber er hatte doch ohnehin kein Motiv!« Tommaso verstand die ganze Aufregung nicht.
    »Wo wollen wir ansetzen, Tommaso? Hast du’ne bess’re Idee?«
    Tommaso schüttelte den Kopf, und Neri beschloss, eine Sonderkommission einzurichten und eine Pressekonferenz zu geben. Er brauchte die Mithilfe der Bevölkerung. Nichts geschah unbemerkt auf diesem Planeten, und Neri war davon überzeugt, dass irgendjemand irgendetwas beobachtet hatte.

87
    Am nächsten Morgen wurde Romano bereits um fünf Uhr fünfundvierzig aus seiner Zelle geführt. Er musste seine Entlassungspapiere unterschreiben, bekam seine persönlichen Sachen ausgehändigt und stand um sechs Uhr fünfundzwanzig auf der Straße. Als freier Mann. Der Tod seiner Tochter hatte ihm die Gefängnistore geöffnet. Glücklich war er nicht.
    Er hatte einen weiten Weg vor sich. Musste einen Bus finden, der zum Bahnhof Santa Maria Novella fuhr, dann mit dem Zug nach Montevarchi, und von dort galt es, wieder einen Bus zu finden, der bis zu einer Haltestelle unterhalb Montefiera fuhr. Dann war es noch eine gute Viertelstunde zu Fuß. Er rechnete damit, den halben Tag, wenn nicht noch länger, unterwegs zu sein, und wollte gerade loslaufen, als neben ihm ein Wagen scharf bremste.
    »Steig ein«, grinste Don Matteo. »Ich fahre zufällig nach Montefiera.«
    »Dich hat der Himmel geschickt«, meinte Romano.
    »Genau. Und so gehört sich das auch für einen Pfarrer.«
    Sie hielten an der nächsten Bar. Romano trank zwei doppelte Espressi, Don Matteo nahm nur einen Tee. »Ich war gestern bei der Witwe Borsa zum Cena eingeladen«, erklärte
er, »und ich weiß nicht warum, aber das Essen ist mir nicht bekommen.«
    »Hast du sie gesehen?«, fragte Romano nach einer Weile.
    »Elsa?«
    Romano nickte.
    »Ja, ich hab sie gesehen.«
    Romano schwieg resigniert und fragte nicht weiter.
     
    In Montefiera bat er Don Matteo, vor der Kirche zu halten.
    Er hatte kein Geld dabei, aber entzündete trotzdem drei Kerzen für sie.
    Mein Mädchen, dachte er, es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, die dreihundertfünfundsechzig mit siebenhundertsechsundneunzig multiplizieren und im Kopf die Wurzel aus dreitausendsechsundachtzig ziehen können. Du warst so klug, hast alles so schnell begriffen und die
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