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Heute morgen und fuer immer - Roman

Heute morgen und fuer immer - Roman

Titel: Heute morgen und fuer immer - Roman
Autoren: Anke Greifeneder
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immer schon Schauspielerin werden und macht Neles Geburt dafür verantwortlich, dass aus der Weltkarriere nichts geworden ist. Also hat sie mit neunundzwanzig noch mal alles auf eine Karte gesetzt und lebt seither in Berlin. Sie besucht eine private Schauspielschule und kommt alle Schaltjahre mal in München vorbei, meistens, wenn irgendein Casting ansteht.«
    »Und hat diese Jutta Talent?«, fragte ich leise. Die Frage, ob sie überlegte, sich einen Künstlernamen zuzulegen, verkniff ich mir.
    »Valentin meint, sie hat nicht mehr Talent als eine Eckbank ...«
    Jetzt hätte ich fast losgeprustet, konnte mich aber im letzten Moment noch fassen.
    »Und wieso sind Valentin und Nele hier in München?«
    Jasper sah sich kurz nach seinem Bruder und seinen Eltern um, die jedoch selbst gerade in Gespräche verwickelt waren. Valentin hatten gleich zwei befreundete Mütter aus der Reihe hinter uns in Beschlag genommen.
    »Er hat unseren Eltern zuliebe den Job gekündigt und ist hergezogen, um sich um den Betrieb zu kümmern ... während der Finanzkrise hat Vater den Betrieb fast in den Ruin geführt, weißt du, wenn jemand die Lehman Brothers für 'ne Band hält, sollte er lieber seine Finger von Finanzgeschäften lassen ... und außerdem hat Nele durch den Umzug ihre Großeltern um sich, die sie über alles liebt.«
    Jetzt wurde mir auch klar, warum die Mütter so auf Valentin flogen. Er war quasi ein alleinerziehender Vater, und dazu noch ein cooler, gut aussehender und vor allem alleinstehender. Auch wenn Charme nicht seine hervorstechendste Eigenschaft war, schien er ein paar gute Eigenschaften wie Verantwortungsgefühl und Familiensinn zu haben. Das kam bei diesen Frauen anscheinend gut an.
    Das Licht in der holzvertäfelten Aula wurde gedimmt, und der schwere rote Samtvorhang öffnete sich langsam, Jasper musste seinen Einführungskurs in die Verhältnisse seiner Familie beenden, denn das Herbststück begann.
    Singende Bienchen, tanzende Weizenfelder und sprechende Kürbisse spielten mit vereinten Kräften und einer Ernsthaftigkeit, dass es mich geradezu rührte. Nele meisterte ihren Auftritt mit Bravour und war mit Abstand das talentierteste Kind auf der Bühne. Georg hantierte hektisch mit der Videokamera herum, und Ulrike sprach aufgeregt den Text mit, den sie offensichtlich mit Nele eingeübt hatte, und musste sich immer wieder ein paar Tränen wegwischen. Wenn Valentins Einschätzung stimmte, was das Talent von Neles Mutter betraf, so blieb sie dieser Aufführung vielleicht auch deshalb lieber fern, weil es schmerzte, wenn das eigene Kind von Natur aus mitbrachte, worum man sich selbst erfolglos bemühte. Ich mahnte mich, Jutta nicht vorschnell zu verurteilen, aber bei allem, was ich gehört hatte, hielt ich sie jetzt schon für eine blöde Kuh. Valentin hingegen saß mit geschwellter Brust und typischem Papalächeln da und rief nach Neles Auftritt begeistert »Bravo« dazwischen. Jaspers Familie war einfach liebenswert, ja sogar Valentin schien zumindest, was seine Tochter betraf, ein Herz zu haben. Und als der gespielte Zyklus vom Säen, Pflanzen, Gießen und Ernten beendet wurde, tobte der Saal. Die Kürbisse und alle anderen verkleideten Kinder kamen zum Applaus Hand in Hand auf die Bühne, verneigten sich glucksend und kichernd mit hochroten aufgeregten Köpfen.
    »Kommt mit, wir holen Nele ab!«, forderte Valentin uns auf.
    »Ach, das ist nur was für euch junge Leute, zwischen so vielen Kindern«, sagte Ulrike. »Wir warten lieber draußen auf euch.«
    »Okay, und ihr?« Valentin sah seinen Bruder kurz an und ging auch schon Richtung Bühne. Ich fragte mich, ob er mich überhaupt dabeihaben wollte, aber es blieb mir keine Wahl, denn Jasper zog mich im selben Moment auch schon mit.
    In dem Klassenraum, der als Garderobe diente, herrschte ein reges Treiben und Durcheinander. Die Kinder versuchten, sich teils allein, teils mithilfe der Lehrer aus ihren Kostümen zu schälen, hier suchte jemand einen Schuh, dort fehlte eine Brille, und mittendrin stand Nele, die glücklich lächelte. Valentin ging zu ihr und wirbelte sie durch die Luft.
    »Toll hast du das gemacht! Hat's Spaß gemacht?«
    Nele nickte.
    »Ich will aber trotzdem Tierärztin werden. Schauspielerin ist doof!«
    Ich ahnte, was in Nele vorging. Die meisten Mädchen in ihrem Alter träumten davon, Schauspielerin, Sängerin oder Tänzerin zu werden, eher der Aufmerksamkeit wegen. Auch wenn Nele offensichtlich Talent hatte, so verband sie die
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