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Heute leider kein Foto für dich, Baby

Heute leider kein Foto für dich, Baby

Titel: Heute leider kein Foto für dich, Baby
Autoren: Ueberreuter
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Perücke mit den anderen bereit zum Abmarsch. Fünfundzwanzig Models sehen sich zum Verwechseln ähnlich, auch wenn die eine Hosen trägt und die andere ein Kleid.
    »Das Gesicht bleibt unbewegt! Remember, don’t smile«, schärft ihnen der Designer ein. »Und nun Abmarsch!«
    Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, als Pia durch die goldenen Säle schreitet und dabei nicht nach rechts noch nach links schaut. Dann ist der erste Lauf auch schon vorbei und sie hat noch nicht einmal ein bekanntes Gesicht unter den Zuschauern entdeckt. Ihr Vater wollte kommen, und ihre Großmutter.
    Beim zweiten Lauf schaut sie vorsichtig nach rechts und links, halb geblendet durch die vielen Blitzlichter. Sie sitzen in der ersten Reihe im Weißen Saal.
    geworden?«, zischt er ihr zu. »Du ruinierst meine ganze Show! Sofort absetzen! Pia, oder wie du heißt, was soll das werden?«


    

Pia dreht sich im Laufen kurz zu ihm um. »Es ist ein Tvor Pia das Zeichen zum Abmarsch bekommt, bückt sie sich und zieht aus einer Tüte einen winzig kleinen Hut hervor, der vorne ein Haarnetz aus silberfarbener Spitze hat, das mit Perlen übersät ist. Liebevoll betrachtet sie ihn. Es ist einer der vier Hüte, die sie zur Erinnerung an die Mutter aufbewahrt hat und der perfekt zu ihrem Kleid passt. Das hat sie gestern gleich gesehen.
    Und dann muss es schnell gehen, denn sie ist ganz sicher, dass der Designer etwas gegen ihren Hut haben wird. Rasch nimmt sie die weiße Lockenperücke ab und wirft sie auf einen Stuhl. Dann fährt sie mit der Hand durch ihre kurzen roten Haare und setzt sich den kleinen Hut so auf, dass der Schleier ein wenig über die Augen fällt. Das hat sie gestern vor dem Spiegel so lange geübt, bis sie keinen Spiegel mehr brauchte, um das Ganze stilsicher auf ihrem Kopf zu platzieren.
    Das alles geht so schnell, dass der Designer erst aufmerksam wird, als Pia wie ein roter Tupfer unter den weißen Lockenperücken an ihm vorbeimarschiert.
    Sein »Remember, don’t smile!« bleibt ihm fast im Hals stecken. »Bist du verrückt geworden?«, zischt er ihr zu. »Du ruinierst meine ganze Show! Sofort absetzen! Pia, oder wie du heißt, was soll das werden?«
    


    

Pia zögert. Dann beil meiner eigenen Geschichte!«, erklärt sie und winkt ihm zu. Dann stolziert sie so, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht, in ihrem rosafarbenen Kleid mit den silbernen High Heels an den Füßen durch die Säle.
    Sie fällt auf mit ihren roten Haaren und dem silbernen Haarnetz. Die Kameras sind auf sie gerichtet. Wo sie langgeht, blitzt es unaufhörlich. Pia scheint es nicht einmal zu bemerken. Ohne eine Miene zu verziehen, schreitet sie in dem Tempo, das die anderen vorgeben, an den Zuschauern vorüber.
    Remember, don’t smile!
    Erst auf dem letzten Gang zurück wird sie im Weißen Saal langsamer. In der ersten Reihe sitzt ihr Vater. Er lächelt, auch wenn Pia die Tränen in seinen Augen sieht. Daneben ihre Großmutter. Sielächeltundwinkt ihr begeistert zu. Auf der anderen Seite des Vaters sitzt Leon. Auch er lächelt und winkt ihr zu.
    Remember, don’t smile!
    Lächeln und Winken sind auf dem Laufsteg streng verboten. So hat ihr der Vater das erklärt, als sie sieben war und maßlos enttäuscht, weil die Mutter nicht zurückwinkte.
    Remember, don’t smile!
    Pia zögert. Dann bleibt sie auf einmal mitten auf dem Laufsteg stehen, lächelt ihnen zu – und winkt.

Carolin Philipps
    Carolin Philipps wurde 1954 in Meppen geboren. Sie hat Geschichte und Anglistik in Hannover und Bonn studiert und hat zwei erwachsene Söhne. Im Zentrum ihrer Geschichten stehen aktuelle Themen und Menschen, die anders sind als die Norm.
    www.carolin-philipps.de

Vollständige E-Book-Ausgabe der 2014 in der Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin, erschienenen Buchausgabe
    E-Book © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2014
    ISBN 978-3-7641-9035-4
    Printausgabe © Ueberreuter Verlag GmbH, Berlin 2014
    ISBN 978-3-7641-7011-0
    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Familien sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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