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Herzstoss

Herzstoss

Titel: Herzstoss
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gefallen hat.« Marcy öffnete die Augen und sah, dass sie die Außenbezirke von Dublin erreicht hatten. »Wie Sie bei unserem kurzen Besuch sicher festgestellt haben, braucht man im Grunde mehr als einen Tag, um Cork zu erkunden. Die Bibliothek lohnt auf jeden Fall einen Besuch, ebenso wie das Butter-Museum und die Crawford Art Gallery. Nicht zu vergessen die wunderbare Universität, deren Campus mehr als siebzehntausend Studenten aus aller Welt ein Zuhause bietet.«
    Mehr als siebzehntausend Studenten aus aller Welt, wiederholte Marcy stumm und dachte, wie leicht es für ein Mädchen wie Devon wäre, in dieser Menge unterzutauchen. Zu verschwinden.
    »Hast du dir je gewünscht, einfach zu verschwinden?«, hatte Devon ihre Mutter gefragt, kurz bevor das gekenterte Kanu in den eisigen Gewässern der Georgsbucht gefunden worden war. »Einfach irgendwo als jemand ganz anderes noch mal neu anzufangen?«
    »Bitte rede nicht so, Schätzchen«, hatte Marcy gesagt. »Du hast doch alles.«
    Was für eine dumme Antwort, dachte sie jetzt. Gerade sie hätte wissen müssen, dass alles zu haben keine Garantie für irgendwas war.
    Man hatte Devons Leiche nie gefunden.
    »Das warst du. Ich habe dich gesehen«, flüsterte Marcy tonlos.
    »Verzeihung, haben Sie was gesagt?«, fragte Vic.
    Marcy schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie laut, aber in ihrem Kopf kreischte eine Stimme: »Du bist nicht tot, oder, Devon? Du bist hier. Ich weiß es. Und egal was es braucht und wie lange es dauert, ich werde dich finden.«

KAPITEL DREI
    Ein blinkendes Licht am Telefon zeigte den Eingang neuer Nachrichten an, als Marcy in ihr Hotelzimmer zurückkehrte.
    Das musste ein Irrtum sein, dachte sie, als sie ihren schmutzigen und noch feuchten Mantel auf den dicken grauen Teppich fallen ließ und ihre flachen schwarzen Schuhe abstreifte, die gegen zwei Uhr am Nachmittag alle Bequemlichkeit eingebüßt hatten. Sie hockte sich auf die Kante des französischen Betts, betrachtete das blinkende rote Licht und fragte sich, wer angerufen haben könnte. Niemand wusste, dass sie hier war.
    Wahrscheinlich die Busgesellschaft, die den Ausflug organisiert hatte und sie für die verpasste Exkursion zum Blarney Castle verantwortlich machen wollte. Vermutlich verlangte man die Übernahme der entstandenen Kosten. Es war das Mindeste, was sie tun konnte, dachte Marcy und beschloss, die Nachricht erst später abzuhören. Sie lehnte sich an den Berg eleganter Spitzenkissen am Kopfende des Bettes, legte ihre Füße auf die Daunendecke und spürte, wie der Schlaf schon an ihren Lidern zupfte. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie komplett erschöpft sie war. Sie schloss die Augen. Praktisch im selben Moment fing das Telefon an zu klingeln.
    Marcy riss die Augen auf und drehte den Kopf zur Seite, als sich ein neuer Gedanke wie ein Eispickel in ihren Hinterkopf bohrte.
    Konnte es Devon sein, fragte sie sich und starrte auf das schrillende schwarze Telefon. Wusste sie, dass ihre Mutter hier war? Hatte sie Marcy im selben Moment durch das Fenster des Pubs gesehen, in dem jene ihre Tochter entdeckt hatte? Hatte sie die panische Suche ihrer Mutter aus sicherer Entfernung beobachtet und sich ihr gerade zeigen wollen, als unvermittelt Vic Sorvino aufgetaucht war? War sie ihnen zum Busbahnhof gefolgt, hatte sie sie in den Bus nach Dublin steigen sehen und in dem verzweifelten Versuch, ihre Mutter aufzuspüren, jedes Fünf-Sterne-Hotel in der Stadt angerufen? War das möglich?
    Marcys Herz pochte bis zum Hals, als sie behutsam den Hörer von der Gabel hob und ans Ohr hielt.
    »Marcy? Marcy, bist du da?« Peters Stimme erfüllte das große gediegene Zimmer. »Marcy? Ich kann dich atmen hören. Antworte mir.«
    Tränen der Enttäuschung schossen Marcy in die Augen. »Hallo, Peter«, flüsterte sie. Ihr fiel nichts ein, was sie noch zu dem Mann sagen konnte, mit dem sie die letzten fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens verbracht hatte. »Wie geht es dir?«
    » Wie geht es mir ?«, fragte er ungläubig. » Mir geht es gut. Was ist mit dir ? Ich mache mir Sorgen um dich. Ich habe ein Dutzend Mal angerufen, Nachrichten hinterlassen …«
    »Woher wusstest du, wo ich bin?«
    »Deine Schwester hat angerufen«, erklärte er ihr. »Sie ist völlig panisch. Sie sagt, dass du alleine nach Irland geflogen wärst. Und dass du denkst, du hättest …« Er brach ab, um sich neu zu sortieren. »Ich hab mich an den Namen des Hotels erinnert, wo wir …«
    »Wo wir zusammen absteigen wollten?«, beendete
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