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Herzschlag der Nacht

Herzschlag der Nacht

Titel: Herzschlag der Nacht
Autoren: Lisa Kleypas
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in Stunden höflicher Konversation zu erreichen wäre.
    Nachdem sie mehrere Dinge erwogen und verworfen hatte, die man einem vollkommen Fremden unter der Vorgabe, selbst jemand anderer zu sein, schreiben könnte, gab Beatrix es schließlich auf. »Ach, zum Teufel damit! Ich schreibe eben, wie es mir gefällt. Wahrscheinlich wird er ohnedies viel zu müde und abgekämpft sein, um zu merken, dass der Brief nicht nach Pru klingt.«
    Lucky legte ihr Kinn neben die Pfote und schloss die Augen halb, wobei sie schnurrend seufzte.
    Beatrix begann zu schreiben.
    Lieber Christopher,
    ich habe die Berichte über die Schlacht an der Alma gelesen. Wie Mr. Russell in der Times schrieb, sind Sie und zwei andere der Rifle Brigade den Coldstream Guards vorausgegangen und haben mehrere feindliche Offiziere erschossen, womit Sie deren Züge auflösten. Mr. Russell bemerkte überdies bewundernd, dass die Rifles sich nie zurückzogen oder auch nur die Köpfe einzogen, als die Kugeln flogen.
    Während ich seine Wertschätzung teile, möchte ich Ihnen dennoch sagen, dass es meiner Meinung nach Ihren Mut nicht schmälerte, den Kopf einzuziehen, wenn auf Sie geschossen wird. Ducken Sie sich nur, weichen Sie zur Seite aus oder verstecken Sie sich vorzugsweise hinter einem Felsen, und ich verspreche Ihnen, es wird meine Achtung für Sie nicht schmälern!
    Ist Albert noch bei Ihnen? Beißt er noch? Meiner Freundin Beatrix gemäß (die den Igel zum Picknick mitbrachte) ist der Hund überreizt und ängstlich. Da Hunde im Herzen Wölfe sind und einen Rudelführer brauchen, müssen Sie sich ihm dominant zeigen. Wann immer er versucht, Sie zu beißen, umklammern Sie seine Schnauze mit der Hand, üben leichten Druck aus und sagen mit fester Stimme Nein.
    Mein Lieblingslied ist »Over the Hills and Far Away«. Gestern regnete es in Hampshire. Es war ein mildes Herbstunwetter, das kaum Blätter von den Bäumen wusch. Die Dahlien blühen nicht mehr, und der Frost hat die Chrysanthemen welken lassen, aber die Luft duftet herrlich nach altem Laub, feuchter Rinde und reifen Äpfeln. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass jeder Monat seinen eigenen Geruch hat? Für mich duften der Mai und der Oktober am schönsten.
    Sie fragten, ob es einen friedlichen Ort auf der Welt gibt, und ich bedaure, sagen zu müssen, dass es nicht Stony Cross ist. Unlängst brach Mr. Mawdsleys Esel aus seinem Stall aus, rannte die Straße hinunter und verschaffte sich Zutritt auf eine eingezäunte Weide. Mr. Cairds preisgekrönte Stute graste dort nichtsahnend, als der ungezogene Verführer sie sich zu Willen machte. Nun scheint es, als hätte die Stute empfangen, und es entbrennt eine Fehde zwischen Caird, der finanzielle Entschädigung fordert, und Mawdsley, der darauf besteht, dass ein weniger stümperhafter Weidezaun eine solche heimliche Begegnung gar nicht erst ermöglicht hätte. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, wurde hie und da laut, dass sich die Stute als schamlos erwiesen haben soll und nicht annähernd die Gegenwehr leistete, die man von ihr erwartete.
    Glauben Sie wirklich, dass Sie einen Platz in der Hölle verdienen? Ich glaube nicht an die Hölle, zumindest nicht im Leben nach dem Tode, sondern denke, dass die Hölle hier auf Erden bereitet wird, und zwar von Menschen für andere Menschen.
    Sie sagen, der Gentleman, den ich kannte, wurde zu einem anderen. Wie sehr wünschte ich, ich könnte Ihnen angemesseneren Trost spenden als den, dass es mir gleich ist, wie Sie sich verändern, und Sie bei Ihrer Rückkehr so oder so willkommen sind. Tun Sie, was Sie tun müssen. Wenn es Ihnen durchzuhalten hilft, schließen Sie Ihre Gefühle fort. Vielleicht können wir sie eines Tages gemeinsam wieder aus ihrem Verlies befreien.
    Ihre Prudence
    Beatrix hatte noch nie absichtlich jemanden hinters Licht geführt. Und ihr wäre unendlich wohler, könnte sie Phelan in ihrem eigenen Namen schreiben. Doch leider entsann sie sich auch allzu gut seiner Bemerkungen über sie. Er würde keinen Brief von dieser »eigenartigen Beatrix Hathaway« wollen. Nein, er hatte um einen Brief der wunderschönen Prudence Mercer mit dem güldenen Haar gebeten. Und war ein vermeintlich von Prudence stammender Brief nicht besser als gar keiner? Ein Mann in Christophers Lage brauchte jede Ermutigung, die irgend zu haben war.
    Er musste erfahren, dass er anderen Menschen nicht gleichgültig war.
    Und erstaunlicherweise stellte Beatrix fest, dass er ihr, nachdem sie seinen Brief gelesen hatte,
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