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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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Ausbildungsplatz. Mittlerweile war ich meiner unerwiderten Anbetung überdrüssig geworden, aber die Berufswahl erwies sich als okay. Mir gefiel meine Arbeit, weil sie vielseitig, interessant und abwechslungsreich war. Trotzdem verliefen die Tage in beruhigender Weise ähnlich.
    Bis vor Kurzem jedenfalls.
    Ich arbeitete in einem Ort namens Amberley Park, etwa neun Kilometer von Gatwick Airport entfernt. Ursprünglich war es ein kleinerer Herrensitz gewesen, auf dessen Gelände sich nun ein Einkaufszentrum befand. Es war wie Phönix aus der Asche der Aristokratie auferstanden und verfügte über alles, was sich das Proletariat nur wünschen konnte. Die größten Kaufhäuser, den größten Parkplatz, die größte Restaurantmeile, die größten Brunnen, die größten (und hässlichsten) Plastikpalmen, die man sich vorstellen kann. Alles unter einem riesigen Dach. Vor allem befand sich in diesem Einkaufszentrum die größte Filiale der Drogeriekette Sandals, in der sich auch ein Brillengeschäft befand.
    Ich war zurzeit leitende Optikerin. Vielleicht nicht gerade die steilste Karriere, aber ich war zufrieden. Oder war es gewesen, bis wir kürzlich von einer aggressiv expandierenden amerikanischen Kette geschluckt worden waren, die verschiedene Pläne für unsere Läden hatte. Pläne, in denen ich nicht unbedingt vorkam.
    »Das E-Wort ist ausgesprochen worden«, zischte Ruth, die ich in der Garderobe traf. »Jetzt wird es ernst!«
    Sie verkündete dies sehr dramatisch, was für sie nicht ungewöhnlich war. In ihrer Freizeit schrieb Ruth nämlich Romane. Wenn sie nicht gerade Linsen anpasste oder – was häufiger vorkam – mit Vertretern plauderte, verkaufte sie ihre Geschichten an Frauenzeitschriften. Manchmal fragte ich mich, ob sie nicht ständig bedeutungsschwere Dialoge übte.
    »Was für ein E-Wort?«, fragte ich. Ich las gerade die Erledigungsliste hinten in meinem Notizbuch: Mit dem Caterer sprechen. Tischordnung planen.
    Wichtig: Termin für Anprobe Brautjungfernkleid ausmachen. Hundefutter kaufen.
    Warum ich aufgeschrieben hatte, dass ich meinen Parlamentsabgeordneten anrufen sollte, wusste ich schon nicht mehr.
    Ruth baute sich vor mir auf. »E wie Entlassung, Sally.«
    Ich blickte auf. »Was? Du machst Witze.« Ich dachte an das Schreiben, das ich letzte Woche bekommen hatte. Darin war es um Veränderungen gegangen. Aber sie hatten etwas von Karriereoptionen geschrieben, nicht von Entlassung. Entlassung war mir nie in den Sinn gekommen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Russell hat gehört, wie Dennis es am Freitag im Personalraum erzählt hat.«
    Russell war einer der anderen drei Optiker. Er bezeichnete sich selbst als Frauenmagnet, aber in meinen Augen war er nur ein großer Schaumschläger. Allerdings war er ganz nett, und wir kamen gut miteinander aus.
    Ruth knallte ihre Spindtür zu und trat an die Waschbecken, wobei sie einen dicken, pflaumenblauen Lippenstift aufdrehte.
    »Wahrscheinlich trifft es mich«, fügte sie hinzu und schürzte ihre großzügigen Lippen. »Der Letzte, der eingestellt worden ist, wird als Erster rausgeworfen.«
    Ich wollte nicht, dass Ruth ging. Sie hatte nicht meine Ausbildung. Ursprünglich war sie Optikerassistentin gewesen, aber in den drei Jahren, in denen sie jetzt hier arbeitete, hatte sie alle Arbeiten übernommen, die wir nicht machten. Wenn sie nicht mehr da wäre, würde der gesamte Laden im Chaos versinken.
    »Das können sie doch nicht tun«, sagte ich. »Das können sie bestimmt nicht. Du hast doch einen Vertrag.«
    Sie fuchtelte mit der Lippenstifthülse vor meiner Nase herum. »Ja, aber der ist nicht das Papier wert, auf das er geschrieben ist. Glaub mir, heute Abend wird es das übliche Geschwätz geben – von wegen, wir sind ja alle gute Freunde und so. Aber in einem Monat heißt es dann ›Sie können gehen‹, wenn du dich nicht mit einem Job an der Kasse unten bei den Windeln zufriedengibst. Nein, danke. Da nehme ich lieber die Abfindung und schreibe weiter an meinem Roman. Aber dir wird nichts passieren.« Sie spitzte die Lippen. »Dich werden sie behalten. Du bist ja keine Verkäuferin. Ich würde mich allerdings nicht auf Rollschuhe einlassen.«
    »Rollschuhe? Wovon redest du, um Himmels willen?«
    »Na, du kennst doch die Amerikaner. Auf Rädern kann man alles schneller verkaufen. Denk an meine Worte. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
    Am Abend waren alle Angestellten von Sandals zu einer Zusammenkunft in einem eleganten Hotel außerhalb
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