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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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selbst wenn nicht, dann kannst du seine Adresse sicher irgendwie herausfinden. Und dann kannst du ihm einen Brief schreiben. Oder ihm eine E-Mail schicken. Und du kannst ihm alles erzählen – oh, wie er lachen wird –, und dann könnt ihr euch weitere Briefe schreiben, und … und was? Und Brieffreunde werden? Ich muss ihn sehen! Sei nicht albern. Es ist kein Weltuntergang. Du kannst die Rabattmarken sammeln und sie gegen Flugmeilen eintauschen, und eines Tages kannst du ihn besuchen.
    »Merlin!«
    »Du kannst alles klären. Aber er wohnt in Amerika, du liebe Güte! Du kannst nichts klären. Er ist da und du bist hier! Es ist einfach nicht fair! Wenn das Schicksal das für mich bereithält, dann kann es mich mal!
    »Aua!«
    Ich war zu schnell gelaufen und gestürzt. Als ich wieder die Augen aufmachte und das Gras ausspuckte, stand mein Hund bei mir und leckte mir übers Gesicht.
    Ich brachte ihn nicht um.
    Ich verprügelte ihn noch nicht einmal. Trotz der strengen Ermahnungen in der Hundeschule, negatives Verhalten nicht zu verstärken, schlang ich ihm die Arme um den Hals und drückte ihn.
    Dann schob ich meine Finger unter sein Halsband und zog mich hoch.
    »Du«, sagte ich, als wir zerzaust wie zwei Vogelscheuchen zum Auto zurücktrotteten. »Du kannst deine Tage im Tierheim beschließen, wenn du so eine Nummer noch einmal bringst. Hast du mich verstanden?«
    Ich öffnete die Tür, und Merlin sprang schuldbewusst in den Wagen. Zwanzig nach vier. Zwanzig nach vier! Ich war so wach, als hätte ich mindestens fünfzehn Espressos getrunken. Oh, warum hatte er bloß nicht auf meine SMS geantwortet? Apropos, apropos – oh, du verdammter Hund! Wo zum Teufel war mein Handy?
    »Entschuldigung, junge Frau. Dieser Parkplatz ist voll. Sie müssen zum Parkplatz am Süd-Terminal zurück und dort die Rampe hinauffahren.«
    Es war mittlerweile zehn vor fünf. Ich hatte überall nachgeguckt. In meinen Taschen, in meiner Handtasche, im Kofferraum, die Straße hinauf und hinunter, unter dem Auto, im Futter meiner Jacke, noch einmal in meiner Handtasche. Überall, wo sich ein Handy verstecken könnte. Aber meines war verschwunden. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, einfach ins nasse Gras zu sinken und mir den Tod zu holen, aber so attraktiv die Idee auch sein mochte, es war sinnlos verschwendete Zeit. Deshalb schwang ich mich wieder ins Auto und fuhr zum Flughafen, als hinge mein Leben davon ab. Was ja auch stimmte. Und jetzt wollten sie mich nicht hineinlassen. »Wie bitte?«
    »Tut mir leid. Viel los, Sie wissen ja, wie es ist. Fahren Sie die Straße zurück und folgen Sie den Schildern.«
    Wieso mussten gerade jetzt so viele Leute in Urlaub fliegen? Schlechtes Karma. Verdammt schlechtes Karma. Der Mann in der Neonweste spähte ins Auto.
    »Fliegen Sie weg?«
    Nein, nur mein gesunder Menschenverstand ging gerade fliegen. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nein.«
    »Dann lassen Sie Ihren Hund im Auto, ja? Es herrscht schon genug Chaos da draußen.«
    Der letzte Stern verschwand am Himmel, als ich endlich den Parkplatz am Süd-Terminal erreichte. Mir kam es vor wie ein böses Omen. Aber wenigstens war ich endlich da. Vielleicht gab es eine winzige Chance.
    Wie eine Rakete schoss ich über das Laufband, das in den Terminal hineinführte und drängte mich an verschlafenen Urlaubern und gelangweilten Geschäftsleuten vorbei. Flughäfen waren einfach zu groß, dachte ich, als ich die Gänge entlangrannte, wegen meines zerzausten Aussehens verfolgt von misstrauischen Blicken. Zum Glück war ein Verbindungszug gerade bereit zum Abfahren, keuchend sprang ich hinein.
    Im Bahnhof war es dunkel, und so konnte ich in der Scheibe des Zugs gut erkennen, dass ich überall Grasbüschel hängen hatte. Aber das war mir jetzt egal. Eine winzige Chance. Bitte.
    Der Zug ruckelte zum Nord-Terminal, wo ich zu den Abflügen rannte, so schnell ich konnte, und dabei wild um mich blickte. Es gab zahlreiche Schalter, und das System war ziemlich kompliziert. Mir wurde auf einmal klar, dass ich noch nicht einmal wusste, zu welchem Flughafen er flog. Gab es in San Diego überhaupt einen internationalen Flughafen? Ich blickte suchend die Listen auf der Tafel entlang. Sie sagten mir nichts. Es hätten genauso gut Fußballergebnisse sein können.
    Außerdem hatte es sowieso keinen Zweck. Wenn er weg war, war er weg. Andererseits, wenn er noch nicht im Flieger saß, dann wartete er vielleicht doch an der Kaffeebar auf mich, oder? Oder bei McDonald’s. Vielleicht
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