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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sagte er: »Mal sehen, wer ist für Tisch zwölf eingeteilt? Ah, ja. Ich suche einfach irgendeinen Namen heraus. Mallone, wo sind Sie?«
    Sondra hob die Hand.
    »Okay, Mallone. Gehen Sie hinunter und holen Sie eine Leiche. Fahren Sie mit dem Aufzug da in den Keller hinunter und sagen Sie, daß wir einen Leichnam zu wenig bekommen haben. Bringen Sie dann einen mit herauf.«
    Der Aufzug knarrte, der unterirdische Korridor war von ekelerregenden Gerüchen erfüllt. Die trüben Glühbirnen an der Decke waren nackt, überall schienen bedrohliche Schatten zu lauern. Sondra schlug das Herz bis zum Hals. Sie ging an mehreren geschlossenen Türen vorüber, die nicht durch Schilder gekennzeichnet waren, und begann schon sich zu fragen, ob sie sich verlaufen hätte, als plötzlich eine Gestalt aus den Schatten trat. Sondra schrie auf.
    »Hallo«, sagte der alte Mann im Overall. »Hab Sie schon erwartet.«
    Sondra würgte ihren Schrecken hinunter. »Ja?«
    »Erster Sektionstag, stimmt’s? Sie haben Moreno, richtig? Kommen Sie nur mit, junge Frau.«
    Humpelnd trat er durch eine Tür und führte Sondra in einen großen Raum, der so von Formalindünsten geschwängert war, daß ihr sofort die Tränen in die Augen sprangen.
    »Ich such ihnen eine schöne aus«, sagte der Alte und griff nach einer langen Stange, die mit einem Haken versehen war. »Die schönen sind nicht so unheimlich.«
    Durch einen Tränenschleier sah sie das große, in den Betonboden einge {33} lassene Becken, ein Becken, wie es in jedem Schwimmbad hätte sein können, nur war es nicht mit Wasser gefüllt, sondern mit Konservierungsflüssigkeit, und es waren keine Schwimmer darin, sondern sachte schaukelnde, braune menschliche Leichen. Der Alte warf seinen Haken aus, zog einen der Kadaver an den Beckenrand und machte sich daran, ihn herauszuziehen.
    Das Gesicht war verhüllt, ganz mit weißer Gaze umwickelt, und die Hände waren wie im Gebet auf der Brust zusammengebunden. Sondra sah, daß es die Leiche einer jungen Frau war.
    »Freuen Sie sich, junge Frau, daß sie so eine schöne Leiche kriegen. So jung haben wir sie selten. Das Bezirkskrankenhaus hat ein Abkommen mit dem College. Da sparen sie sich nicht nur die Begräbniskosten, sondern kriegen auch noch Geld für ihre Leichen.« Er wälzte den Leichnam auf eine heruntergelassene fahrbare Trage. »Gemeiner Kerl, dieser Moreno. Macht das jedes Jahr. Die anderen Leichen oben sind alle uralt. Da macht’s überhaupt keinen Spaß. Aber Sie, junge Frau, dafür, daß Moreno Ihnen das angetan hat, hm …« Er zog die Bahre hoch und stellte die Beine fest. »Ich gab Ihnen die Beste, die wir haben. Die anderen werden Sie beneiden, wenn sie – He, he!« Er packte blitzschnell ihren Arm. »Sie werden mir doch nicht ohnmächtig?«
    Sondra wischte sich über die feuchte Stirn. »Nein, nein.«
    »Ich bring Ihnen die Leiche im Aufzug rauf. Gehen Sie die Treppe hoch.«
    »Sagten Sie – sagten Sie, daß er das jedes Jahr tut?« fragte Sondra.
    »Nur bei den Frauen. Er hat was gegen Frauen, die Medizin studieren. Er genießt es, wenn sie sich gruseln.«
    »Ach, so ist das.« Sie hätte gern tief Atem geholt, aber sie konnte nicht. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. »Ich schaff das schon, vielen Dank.«
    »Lassen Sie mich nur. Ich tu’s gern. Ich bring sie für Sie rauf.«
    »Nein, nein, es geht schon. Würden Sie sie bitte zudecken?«
    Knarrend fuhr der Aufzug aufwärts. Sondra lehnte an der Wand, ein Dröhnen in den Ohren. Zweimal dachte sie, sie würde umkippen, doch mit einer Willensanstrengung hielt sie sich auf den Beinen. Vor allem ihr Zorn gab ihr die Kraft dazu. Als die Aufzugtüren sich öffneten, sah sie zwanzig Gesichter, die ihr gespannt entgegenstarrten.
    Moreno ging ihr entgegen und musterte sie kalt. »Es wundert mich, daß Sie das allein geschafft haben, Mallone, in Anbetracht der Tatsache, daß Sie noch nicht einmal Ihre Körpergröße von Ihrem Gewicht unterscheiden können.«

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    5
    Am Pacific Coast Highway, direkt gegenüber vom St. Catherine’s Krankenhaus, war ein kleines Einkaufszentrum, in dem es neben einem Supermarkt, einem Waschsalon und einer kleinen Buchhandlung auch ein Kino und die Stammkneipe der Studenten gab: Gilhooley’s.
    Die Pullis feucht von den ersten Regentropfen, traten Sondra, Ruth und Mickey durch die Tür und fühlten sich sofort wohl. Die Musik war so laut, daß sie einem alle ernsthaften Gedanken aus dem Kopf jagte; an den Tischen drängten sich laut schwatzende,

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