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Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Titel: Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Autoren: Saskia Berwein
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immer warmen Wangen. Wenn er in der Lage gewesen wäre, Mitleid zu empfinden, hätte sie sein Mitgefühl vermutlich verdient. Sie hatte ihm ein Geschenk gemacht, dessen Bedeutung die wenigsten Menschen begreifen würden. Für sie selbst wäre es allerdings nur ein schwacher Trost gewesen.
    Einem plötzlichen Impuls folgend, beugte er sich über sie und drückte ihr einen sanften Kuss auf die leicht geöffneten Lippen. Dann sah er ihr tief in die erstarrten Augen. Seine Stimme war ein heiseres Flüstern, das sich kaum über das stete Brummen der Klimaanlage erhob.
    »Ich liebe dich.«

1
    Die Heizung kämpfte vergebens gegen die klamme Kälte an, die sich im Wageninneren und insbesondere in seinen Kleidern festgesetzt hatte. Draußen regnete es so stark, dass das Scheinwerferlicht nur mühsam die Dunkelheit durchdrang. Das Außenthermometer zeigte vier Grad über null an, die sich dank der Nässe allerdings eher wie minus zehn anfühlten.
    Auf den Straßen stand das Wasser teilweise mehrere Zentimeter hoch. Vermischt mit dem Schneematsch, der von der weißen Pracht der letzten Tage übriggeblieben war, bildete es eine dreckige braune Brühe, die sein Auto mehr als einmal ins Rutschen brachte. Kein Wetter für die hochgelobten Winterreifen. Eigentlich überhaupt kein Wetter, um unterwegs zu sein.
    Oliver Grohmann warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Die Beleuchtung schien Woche für Woche schwächer zu werden, er konnte die Zahlen kaum noch erkennen. Vielleicht sollte er die längst überfällige Inspektion doch nicht weiter aufschieben.
    Es war halb zwölf. Für die Strecke von Hanau nach Lemanshain hatte er eine halbe Stunde länger als üblich gebraucht. Er seufzte, als er an einer roten Ampel halten musste, was um diese Uhrzeit an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten war. Sein Fahrzeug war das einzige weit und breit, die Kreuzung sehr gut einsehbar. Die Versuchung, einfach weiterzufahren, war groß, doch er übte sich in Geduld.
    Fünf Minuten später bog er endlich in die Straße ein, in die er vor zwei Monaten gezogen war. Parkplätze waren um diese Uhrzeit nur mit großem Glück oder einiger Kreativität zu bekommen, weshalb er mit dem privaten Kundenparkplatz vor einem Friseurladen eine Straße weiter vorliebnahm.
    Der Staatsanwalt verzichtete auf den Ausweis hinter der Windschutzscheibe. Bis zur Geschäftsöffnung um neun Uhr morgen früh würde er längst wieder verschwunden sein, außerdem kannte die Inhaberin des Salons inzwischen sein Auto. Ein weiterer Punkt auf seiner Liste mit noch ausstehenden Erledigungen: Bei der Nummer auf dem Schild anrufen, das freie Tiefgaragenplätze in dem Mehrfamilienhaus gegenüber seiner Wohnung anpries.
    Sein Regenschirm lag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der Garderobenablage im Flur, trotzdem riskierte er einen Blick in den Kofferraum seines in die Jahre gekommenen Fords. Wie zu erwarten, ohne Erfolg. Er zog den dunklen Kurzmantel enger um seine Schultern und schlug den Kragen hoch. Der eisige Regen hatte aber längst den Weg seinen Nacken hinunter gefunden.
    Grohmann murmelte einen Fluch und begab sich auf den kurzen Spaziergang nach Hause.
    Heute war einfach nicht sein Tag. Angefangen bei dem überraschenden Freispruch eines stadtbekannten Schlägers am Morgen bis hin zu seiner Verabredung am Abend. Eine Katastrophe hatte die nächste gejagt.
    Auf den Prozess hatte er sich wochenlang vorbereitet. Das Vorstrafenregister des Angeklagten war mehrere Seiten lang, trotzdem hatte der Kerl es immer wieder geschafft, Bewährung zu bekommen. Oliver Grohmanns Ziel war es gewesen, den Mann, der drei Tage vor seiner letzten Tat einundzwanzig geworden war und somit endlich nicht mehr auf das Jugendstrafrecht hoffen konnte, wenigstens für zwei Jahre hinter Gitter zu bringen.
    Das Opfer war ein Jugendlicher, der sich noch nie etwas hatte zuschulden kommen lassen und der nun für den Rest seines Lebens sichtbare Narben im Gesicht und an den Armen mit sich herumtragen würde. Es hatte keinerlei Zweifel daran gegeben, dass der betrunkene Angeklagte aus purer Aggressionslust mit einer Bierflasche auf den Jungen losgegangen war.
    Ein wasserdichter Fall. Bis der Verteidiger eine Rotz und Wasser heulende, hochschwangere Freundin aus dem Hut gezaubert hatte. Während des gesamten Ermittlungsverfahrens war sie nie auch nur mit einem Wort erwähnt worden, und Grohmann hatte berechtigte Zweifel, dass sie jemals eine Beziehung mit dem Mann auf der
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