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Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Titel: Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Autoren: Saskia Berwein
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Angriffslust war spürbar, auch wenn sie sie zu verbergen versuchte. Die Oberfläche, unter der die alten Vorwürfe und Anschuldigungen brodelten, schien dünn und brüchig zu sein.
    Warum war sie hier, wenn sie ihn noch immer verabscheute? »Nein, natürlich nicht.« Ohne ein weiteres Wort durchmaß er den Raum und füllte frisches Pulver in die Kaffeemaschine.
    Hannah stand direkt neben ihm, ihre Schultern berührten sich fast, doch sie wich keinen Schritt zur Seite. Ihr Blick brannte auf seiner Haut. Jedes Geräusch, das er verursachte, klang unnatürlich laut in seinen Ohren.
    Als sie sich vom Küchentresen abstieß, erschrak Oliver beinahe. »Wo ist das Bad?«
    »Zweite Tür rechts.«
    Er hörte sie kurz in ihrem Rucksack kramen und dann die Badezimmertür hinter sich schließen. Die einsetzende Stille war angenehm vertraut. Oliver ertappte sich dabei, wie er sich vorstellte, dass er das alles nur geträumt hatte und Hannah noch immer in Kassel bei ihrer Mutter war. Diese Möglichkeit erschien ihm derart verlockend, dass es ihm einen Stich versetzte.
    Gerade als er die Tasse mit dem Kaffee auf den Tisch stellte, hörte er Schritte im Flur. Doch Hannah kehrte nicht sofort in die Küche zurück. Er konnte verfolgen, wie sie die beiden anderen Türen öffnete und seine Zweizimmerwohnung inspizierte, offenbar ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ihr Tun nicht unbemerkt blieb.
    Hannah hatte sich umgezogen. Sie trug einen langärmeligen Pyjama und dicke Socken. Sie glitt auf den freien Stuhl und atmete geräuschvoll den Duft des Kaffees ein. »Danke.« Wenigstens das klang ehrlich. Sie nippte an dem heißen Getränk, ließ sich mit einem Seufzer gegen die Rückenlehne sinken und schloss die Augen.
    Oliver musterte sie erneut. Hannah. Seine Tochter. Noch immer kam es ihm wie ein kleines Wunder vor, dass sie von ihm abstammte, sein eigen Fleisch und Blut. Und dass sie hier bei ihm war, in seiner Küche. Etwas, das er sich in den vergangenen Jahren so sehr gewünscht hatte und das ihm jetzt nur Unbehagen und Furcht bereitete.
    Sie öffnete die Augen und begegnete seinem Blick. »Sieht so aus, als würde ich auf deiner Couch schlafen. Du hast doch irgendwo noch eine Decke, oder?«
    So viel zu seiner dringlichsten Frage, wieso sie hier aufgetaucht war. Sie hatte offensichtlich nicht vor, noch heute Nacht über den Grund für ihr Kommen zu reden. Wahrscheinlich war das aber ohnehin die beste Lösung. Sie waren beide müde, erschöpft und durchgefroren. Keine guten Voraussetzungen für Gespräche in einer – und möglicherweise auch über eine – zerstörte Vater-Tochter-Beziehung.
    Oliver beantwortete ihre Frage mit einem Nicken, obwohl er nicht sicher war, wohin er die Wolldecke bei seinem Einzug geräumt hatte. Sein Blick fiel auf Hannahs Rucksack, der im Flur auf dem Boden stand und etwas Schlagseite bekommen hatte. Es war ein großer Rucksack, wie man ihn für längere Bergtouren benutzte. »Wie lange willst du bleiben?«, fragte er in absichtlich beiläufigem Tonfall. »Bis zum Wochenende?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde erhellte ein schon fast diebisches Grinsen Hannahs Gesicht. Sie schien auf diese Frage gewartet zu haben, setzte aber sofort eine unbeteiligte Miene auf, als sie sich ihres Gesichtsausdrucks bewusst wurde. »Die Bahn sollte meine anderen Sachen eigentlich morgen Vormittag vorbeibringen.« Sie trank einen weiteren Schluck Kaffee, bevor sie hinzufügte: »Irgendwann muss ich trotzdem noch ein paar Kleinigkeiten bei meiner Mutter abholen, allerdings nichts Wichtiges.«
    Oliver spürte, wie sich in seiner Magengrube ein unangenehmer Knoten bildete. Ihm schwante Übles. »Das beantwortet nicht meine Frage.«
    Sie lehnte sich lässig auf dem Stuhl zurück. »Ich bin nicht zu Besuch hier, Dad. Ich ziehe hier ein.«
    Beinahe wäre ihm seine Kaffeetasse aus den Fingern geglitten. Sekundenlang starrte er Hannah wortlos an, nicht sicher, ob er ihre letzten Worte richtig verstanden hatte. »Kannst du das bitte noch einmal wiederholen?«

2
    Jennifer Leitner hatte in ihrem Leben schon viele Leichen gesehen, zu viele, wenn sie ehrlich war. Sie kannte den Tod in jeder erdenklichen Ausprägung, trotzdem gab es manchmal noch Überraschungen, wenn auch selten. Dieser Leichnam zählte definitiv dazu. Noch nie hatte sie beim ersten Blick auf eine Tote die Fundsituation als schaurig-schön empfunden.
    Die Frau saß im Schaufenster einer Agentur, die sich auf Hochzeitsplanung spezialisiert hatte. Auf
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