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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge
Autoren: Carmen Korn
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»Jugendliche laufen schon mal weg«, hat der Mann auf der Wache gesagt, »wir haben die Ausreißer noch immer alle gefunden.«
    Mama und Papa waren empört, als sie das hörten.
Wann hört man auf, Kind zu sein, und ist eine Jugendliche? Schon Monate vor dem vierzehnten Geburtstag? Hannas Mutter sagte, ihr fiele es im Moment schwer, Hanna als absolut zuverlässig zu bezeichnen.Vor ein paar Wochen wäre das noch anders gewesen. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Hanna eine Ausreißerin ist.
    Ich liege im Dunkeln und höre Jan, wie er diesen einen Satz zu mir sagt, der alles verändert hat.
    »Du siehst wunderschön aus.Wie auf einem Bild von Waterhouse.«
    Doch dann drängt sich die Hettich dazwischen und zischt ihren Satz. Ich schließe die Augen und sehe Hanna vor mir, wie sie mit erhobenem Kopf aus der Klasse geht und ich Hannas Rücken ansehe, dass sie am liebsten losheulen will.
    Morgen wird Papa zu unserer Direktorin gehen und mit ihr über das Verhalten der Hettich sprechen. Von Pädagoge zu Pädagogin.
    Mir tun Hannas Eltern so leid.
    Erst als ich das alles gedacht habe, kommt mir Jans Narbe in den Sinn.
    Er muss mal ganz schlimm gestürzt sein. So wie Adrian, als er kopfüber vom Hochbett fiel. Doch mein kleiner Bruder hatte nur eine dicke Beule und die ist längst vergangen.
    Es sieht so aus, als ob unsere Familie viel Glück hätte.
    Ich falte die Hände und bete ein bisschen. Kann nicht schaden.

12
    Es passiert selten, dass Andreas und ich allein am Frühstückstisch sitzen. Meistens hetzen wir gegen halb acht aus dem Haus und haben bestenfalls ein Glas Milch getrunken und einen Apfelschnitz in der Hand.
    Doch heute haben wir beide erst zur dritten Stunde Schule. Alle anderen sind schon unterwegs, nur wir sitzen gemütlich am Küchentisch und essen die Brötchen, die Mama aufgebacken hat, bevor sie zu ihrem Termin gegangen ist. Irgendwas zusammen mit Oma.
    Ich beiße in ein Sesambrötchen mit Honig und denke, dass Honig doch ein Schönheitsmittel ist, längst nicht so sündig wie Ahornsirup. Woher ich diese Erkenntnis nehme, ist mir nicht ganz klar, doch mir gefällt der Gedanke. Sesam und Honig = Schönheit.
    Andreas schlägt die Zähne in eine dicke Schicht Nutella und ihm wird das gar nichts ausmachen. Weder wird er es auf den Hüften haben noch als Pickel im Gesicht. Jungs bleiben dünn, egal wie viel sie essen, und oft haben sie auch noch die längeren Wimpern. »Die Welt ist nicht auf Gerechtigkeit aufgebaut«, sagt Oma und hat wie immer recht.
    »Du hast dich verändert«, sagt Andreas.
    Ich huste an einem Körnchen Sesam herum. »Du meinst, weil ich das Kleid gestern Abend anhatte«, sage ich.
    Andreas schüttelt den Kopf. »Schwesterlein«, sagt er, »du fängst an, groß zu werden.«
    Na ja. In der Länge stehe ich ihm nicht viel nach. Doch ich weiß, was er meint. Da war doch schon gestern das Gefühl, dass er mich ernst nimmt.

    »Was weißt du von Jan?«, frage ich und staune über meinen Mut. Ich mache wirklich Fortschritte. Der mutige Schwan.
    »Du hast dich verknallt«, sagt mein großer Bruder.
    »Verknallt«, sagte ich, »das ist eigentlich ein doofes Wort. Klingt nach großem Knall und nichts dahinter. Ein Knallbonbon an Silvester.«
    Andreas nickt. »Eben«, sagt er, »das meine ich. Du hast dich verändert. Eine solche Betrachtung hättest du vor einigen Wochen nicht angestellt.«
    Ich fange an, so nervös zu werden, dass ich mir beinah doch Nutella nehme.
    »Rück mit der Sprache raus, Bruderherz«, sage ich.
    Andreas zögert. Das ist kein gutes Zeichen. Was will er mir sagen?
    »Ich glaube nicht, dass du dich ernsthaft in Jan verlieben solltest.«
    Das letzte Stück Sesambrötchen fängt in meiner Hand an zu zittern.
    »Warum nicht?«, frage ich. »Ist er schwul oder hat er schon eine Freundin?«
    »Das nun wirklich nicht«, sagt Andreas.
    »Warum sagst du denn so was? Ich denke, er ist dein Freund.«
    »Er fängt an, mein Freund zu werden«, sagt mein großer Bruder.
    »Ja und?«, frage ich.
    »Jan ist so ernst«, sagt er. »Ihm fehlt einfach die Leichtigkeit.«
    »Um sich mit einer Vierzehnjährigen abzugeben?« Ich klinge pampig.

    »Okay«, sagt Andreas, »das Vierteljahr, das dir dazu noch fehlt, ist geschenkt. Das will ich auch nicht sagen. Ich weiß, dass du nicht so eine Tusse bist wie viele andere in deiner Klasse.«
    »Kennst du dich so gut aus in meiner Klasse?« Keine Ahnung, warum ich vom Thema abweiche. Habe ich Angst, etwas zu erfahren von Jan, was ich nicht
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