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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche
Autoren: Narcia Kensing
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glauben, dass ich die erste sein soll, die sich darauf meldet. Sie müssen zugeben, das Angebot klingt schon ein wenig seltsam.« Trotz seiner offensichtlichen Freundlichkeit regten sich wieder Zweifel in Amelie.
    Eine kurze Pause. Dann: »Ich habe auf gut Glück e inige Karten in Uppsala verteilt.«
    »Weshalb inserieren Sie nicht in der Zeitung wie a lle anderen? Jemand, der ein historisches Herrenhaus besitzt, sollte die Kosten einer Anzeige doch nicht scheuen, oder?«
    »Nein, da haben Sie recht. Ich suche schon so lange nach einem passenden Bewohner. Glauben Sie mir, die Zeitung war keine Option mehr.«
    Die Antwort war kaum befriedigend, aber der nette Herr hatte eine ungewöhnlich ehrliche und aufrichtige Art. Beinahe glaubte sie, er würde einen Zauber auf sie legen. Sie hakte nicht weiter nach.
    »Stimmt es, dass Sie keine Miete verlangen?«
    »Ja, ich möchte nur, dass sich jemand um das Haus meiner Eltern kümmert. Sie sind vor einiger Zeit verstorben, und ich habe seither weder die Zeit noch die Kraft, mich um das Anwesen zu kümmern. Mir geht es nicht um Geld, das spielt für mich keine Rolle.«
    »Ungewöhnlich.«
    »Mag sein.« Wieder eine Pause. »Möchten Sie unverbindlich herkommen und sich das Haus ansehen?«
    »Wollen Sie den n gar nicht wissen, wer ich bin? Ich kenne das von meinen bisherigen Vermietern anders. Die quetschen einen sonst aus wie eine Zitrone.« Amelie lachte. Herr Eriksson hatte es tatsächlich geschafft, dass sie sich entspannte.
    »Das können wir doch alles noch vor Ort bespr echen. Ich brenne darauf, Sie persönlich kennenzulernen. Sie klingen so nett.«
    »Danke, das könnte man von Ihnen auch behau pten.«
    Herr Eriksson nannte ihr eine Adresse. Sie vereinba rten einen Termin für den folgenden Nachmittag und verabschiedeten sich herzlich, als kannten sie sich schon seit Jahren. Als Amelie das Handy schließlich beiseite legte, hatte sich ein Dauergrinsen in ihr Gesicht geschlichen. Ihr Herz klopfte, und beinahe bildete sie sich ein, sich in eine Stimme verliebt zu haben. Sie kannte den Mann doch überhaupt nicht! Dennoch freute sie sich nicht nur auf die Besichtigung des Hauses, sondern auch darauf, das Gesicht zur Stimme zu sehen. Sie stellte ihn sich als sportlichen Mann in den Dreißigern vor, vielleicht auch etwas jünger. Selbst, wenn sie am Ende keine gratis Unterkunft bekommen würde, brannte sie dennoch darauf, sich das alte Haus anzusehen. Sie liebte geschichtsträchtige Orte, und gewiss würde sie den Besuch in dem kleinen Örtchen Länna nicht bereuen.
    ***
    Amelie kochte vor Wut. Am liebsten wäre sie auf der Stelle zurückgefahren. Wenn sie gewusst hätte, wo genau sich Sara in diesen Minuten herumtrieb, hätte sie es vielleicht sogar getan, nur um ihrer Freundin die Meinung zu sagen. Ein letztes Mal wählte sie ihre Handynummer, obwohl sie die Hoffnung schon aufgegeben hatte.
    Besetzt. Seit einer Stunde. Mit wem telefonierte Sara bloß so lange? Die Leute begannen bereits, Amelie anzustarren, weil sie schon so lange an der Bushaltestelle stand, einen Bus nach dem anderen passieren ließ und immer wieder ihr Handy ans Ohr hielt. Vielleicht glaubten einige von ihnen sogar, Amelie arbeite im zwielichtigen Gewerbe ... Obwohl ihr geblümtes Halstuch und die Röhrenjeans in Kombination mit dem Dutt am Hinterkopf nicht dazu gepasst hätten. Gegen Abend standen des Öfteren Prostituierte an der Bundesstraße 282. Amelie hatte gehofft, bis dahin längst zurück in ihrer Wohnung zu sein.
    Sie gab auf und steckte das Handy zurück in die Handtasche. Es nützte nichts. Entweder, sie machte sich allein auf den Weg, oder sie rief Herr Eriksson an und sagte den Besichtigungstermin ab. Sara würde sich in jedem Fall warm anziehen müssen! Sie hatte Amelie versprochen, sie zu begleiten. Treffpunkt war eine Bu shaltestelle am östlichen Ortsausgang von Uppsala gewesen. Amelie sollte sich melden, wenn sie sich entschlossen hatte, nach Länna zu fahren. Sara hatte versprochen, dann sofort loszufahren. Amelie hatte es versucht. Viele Male. Aber Sara zog es anscheinend vor, mit jemand anderem zu quatschen und die Leitung zu blockieren.
    Ein paar Minuten lang gab sich Amelie der Verzwei flung hin. Zumindest war es nicht kalt, aber die Sonne ließ sich an diesem Sommertag nicht blicken. Stattdessen zogen dichte Wolkenfelder über sie hinweg, und am Horizont kündigte sich ein Gewitter an. Gerne hätte sie hemmungslos geweint, wenn es ihr in der Öffentlichkeit nicht so peinlich
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