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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß
Autoren: Anne Bax
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keinen Fall!«, sagte ich und deutete auf mein Knie, auf dem sich ein dunkler Blutfleck auf der Jeans abzeichnete. Eigentlich hätte ich auch auf jede andere Stelle deuten können, denn die Körperteile, die nicht schmerzten, zitterten.
     
    »Komm weg hier.« Er zog mich am Arm in Richtung des Aufzugs.
     
    Ich deutete auf den Fuß. »Den lassen wir hier stehen?«
     
    »Weglaufen kann er ja wohl nicht.«
     
    Wo Helmut recht hatte, hatte Helmut recht.
     
    Die Polizei verwandelte den leeren Parkplatz, die Aufzüge und den ganzen Gasometer in Minutenschnelle in Orte hektischer Betriebsamkeit. Jede verfügbare Lichtquelle musste auf die hellste Stufe geschaltet werden, als wäre die Dunkelheit ein störendes Wesen, das es zu vertreiben galt. Aber ganz ließ sie sich nicht vertreiben, sie rückte nur etwas zur Seite und schaute aus sicherer Entfernung zu. Die verbliebenen Aufsichten wurden von Polizisten in Uniform verhört. Uniformierte Männer und Frauen mit Hunden und Taschenlampen durchkämmten das gesamte Gebäude, die umliegende Brache, die Gleise und das Kanalufer. Es wurden Spuren gesucht, Fotos gemacht und überall wurden laut Anweisungen erteilt. Helmut und ich standen inmitten dieser Betriebsamkeit, wie zwei Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren, die darauf warteten, von einem unsichtbaren Spieler auf das nächste Feld geschoben zu werden. Und wirklich schob man uns hin und her und nach einiger Zeit gemeinsam mit zwei Beamten in Zivil in geringem Abstand zum grünen Fuß auf das Dach. Hier beantworteten wir die Fragen der beiden, die sich leise murmelnd aufschrieben, was wir sagten. Der Größere, der sich mit einem hohen Dienstgrad und einem langen Namen vorgestellt hatte, sprach dabei immer nur mich an. Der Kleinere befragte Helmut. Er hatte nicht viel aufzuschreiben.
     
    Der Große deutete auf die Plattform, auf der der Fuß von anderen Beamten untersucht wurde, und ich folgte seiner Hand mit den Augen.
     
    »Sie waren also auf dem Dach und da stand der Fuß?«
     
    »Ja.«
     
    »Genau da?«
     
    »Ja.«
     
    »Sie waren allein auf dem Dach?«
     
    Ich zögerte einen Moment, weil ich an mein Traumrendezvous denken musste. Aber das zählte nicht. Die Taube und das verwehte Lied vom Stern wohl auch nicht.
     
    »Ja, ich war allein.«
     
    »Aber komplett einsehen konnten Sie das gesamte Dach zu keiner Zeit?« Er sah sich um und es war einfach, sich diese Frage selber zu beantworten.
     
    »Nein, das konnte ich nicht.«
     
    »Es hätte also theoretisch noch jemand hier oben sein können?«
     
    Wie beruhigend, sich das noch einmal klarzumachen. »Ja.«
     
    »Ist Ihnen heute unter den Besuchern irgendjemand aufgefallen, der sich eigenartig benommen hat?«
     
    An manchen Tagen waren wir froh, wenn sich ein paar Menschen nicht eigenartig benahmen.
     
    »Mir ist heute niemand aufgefallen.« Auch Helmut schüttelte den Kopf.
     
    »Ist irgendjemand in ihrem Team neu hinzugekommen in den letzten Monaten?«
     
    »Und kommt regelmäßig mit einer Kühltasche zur Arbeit?« Der korrekte Ermittler neben mir hatte die verdienten Stadtmitarbeiter, die in den Gasometer »befördert« wurden, sicher noch nicht persönlich gesehen, sonst wäre ihm klar gewesen, dass ihnen zu all den vielen Aktionen, die für eine solche Tat nötig wären, die Energie fehlte.
     
    »Hier ist niemand neu.«
     
    Beide Beamten registrierten meine Verärgerung mit einem kurzen Blickwechsel.
     
    »Sie gehen jeden Abend zur selben Zeit aufs Dach?«
     
    »Wenn ich Dienst habe, also jeden zweiten Tag, ja.«
     
    »Immer allein.«
     
    »Ja.« Leider.
     
    »Gestern um diese Zeit wäre dann ihre Kollegin hier oben gewesen?«
     
    »Ja.« Das hatten wir alles schon im Kassenhäuschen besprochen, zusammen mit den Namen und Dienstplänen aller Mitarbeiter.
     
    »Was haben Sie getan, als Sie den Fuß gesehen haben?«
     
    »Ich habe ihn nicht für einen Fuß gehalten. Ich dachte es wäre ein Fundgegenstand. Eine Tasche, eine Vase oder so etwas. Und dann dachte ich, es wäre vielleicht ein Schuh mit einer Socke darüber. Ein Scherz. Deshalb habe ich die Socke aufgeknotet und hineingefasst. Oben auf dem Fuß, in der Socke lag die Rose.«
     
    Die Rose lag immer noch dort neben dem Fuß, wo ich sie fallen gelassen hatte. Im immer wieder aufflammenden Blitzlicht sah sie unnahbar und schön aus.
     
    »Und dann habe ich den Fuß gesehen und bin umgefallen.« Ich zeigte auf mein Knie, dem noch immer keinerlei medizinischer Beistand zuteilgeworden war,
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