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Herz und Fuß

Herz und Fuß

Titel: Herz und Fuß
Autoren: Anne Bax
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dann wieder nach hinten und ihr Gesicht zeigte deutlich, dass sie sich Sorgen um mich machte.
     
    »Ich weiß nicht. Ich glaube ich werde duschen, das Frühstück überspringen und Baby anrufen. Vielleicht hat sie Lust auf einen Spaziergang.« Ich beugte das geschwollene Knie und der schnelle Schmerz, der mir durch den Körper fuhr, ließ diese Idee nicht sinnvoll erscheinen.
     
    »Oder ich bleibe den Rest des Tages hier liegen und bedauere mich ausgiebig.« Es klang lustig, als ich das sagte, aber eigentlich war es mir ernst. Luise Gabriel, meine Mutter, hob die rechte Hand an die Stirn. Das tat sie immer, wenn sie etwas Wichtiges sagen wollte.
     
    »Rose-Lotte Stein hat gestern einen Marmorkuchen für dich gebacken. Er wartet unten in der Küche.«
     
    Das fehlte noch. Zu den Dingen, die einem den Tag und den Magen gründlich verderben konnten, gehörten die Backwaren von Rose-Lotte Stein aus dem Senioren-Computerkurs meiner Mutter. Ich wusste gar nicht, womit ich ihre regelmäßigen Zuwendungen verdiente, aber seit meinem Besuch beim Kurs im letzten Winter gab sie ErzEngel immer neue gebackene Geschenke für mich mit. Sie sprach nie, auch im Kurs nicht, und legte den verschiedenen Plätzchen, Kuchen und Teilchen manchmal einen kleinen Zettel bei, auf dem mein Name in ungelenken Großbuchstaben stand. Da ich sie nicht verletzen wollte, schrieb ich immer eine kleine Dankesnotiz und warf die unfassbar schlechten Backkreationen in den Müll.
     
    »Willst du mich umbringen? Wirf den Marmorkuchen bitte einfach weg. Mein Leben ist doch schon schwer genug.«
     
    »Du solltest eine Beziehung haben.«
     
    »Genau!« Ich dachte nicht daran, sie wissen zu lassen, wie oft ich über diese Möglichkeit nachdachte, und versuchte es mit Ironie. »Alle Menschen sollten eine Beziehung haben für den Fall, dass sie eines Tages tote Füße finden. Zu zweit ist das viel leichter zu bewältigen.«
     
    »Es würde dir gut tun zu lieben.« Sie ließ ihre Hand am Kopf und sah aus, als wollte sie in dieser Position in Marmor gemeißelt werden.
     
    »Es hat mich beim letzten Mal fast umgebracht.« Und ich versuchte es mit Ehrlichkeit.
     
    »Genau deshalb solltest du es wieder tun«
     
    »Willst du mich loswerden?« Ich fragte mich, wie aus einem Gespräch über mutmaßlichen Serienmord eine Diskussion über mein Liebesleben geworden war.
     
    »Du musst doch nicht weg, sie könnte zu dir ziehen, Platz hast du genug.«
     
    Wenn meine Mutter jede abstrakte Ebene so geschickt vermied wie jetzt, hatte es keinen Sinn, weiter zu diskutieren, also beschloss ich, sie zu beruhigen.
     
    »Schauen wir mal, was ich diesem Sommer noch so finde, Füße, Frauen, wer weiß das schon?«
     
    »Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden«, murmelte meine Mutter, bevor sie den Raum verließ. Schade, dass ErzEngel nicht pauschal reiste, denn auf einem Feld in Bethlehem suchten sie schon seit zweitausend Jahren jemanden mit ihren Fähigkeiten.
     
    Die Reaktion meiner Freundin Baby, die am späten Nachmittag mit Pizza erschien, auf meine ausführliche Schilderung der Ereignisse war da schon eindeutiger. Sie lauschte mir kauend und nickend und sagte dann schließlich: »Ich habe das meiste schon in der Zeitung gelesen. Gruselig. Hat dich nach dem ganzen Stress wenigstens eine attraktive Polizistin in Uniform verhört?«
     
    Ich drohte ihr mit dem Pizzamesser. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Hast du dich mit meiner Mutter unterhalten?«
     
    Baby grinste und ihre ebenmäßigen Zähne blitzten mich verführerisch an. Wenn sie so wie jetzt lachte, sah sie auch mit Mitte dreißig noch wie die vielen androgynen Jünglinge in den Werbespots für teure Düfte oder scharfe Rasierklingen aus. Wenn man sie entkleidete, sah sie wohltuend anders aus. Dass ich nie darüber nachgedacht hatte, sie auszuziehen, lag wohl hauptsächlich daran, dass wir uns schon gekannt hatten, als wir beide noch alle Milchzähne besaßen. Einen Eckmilchzahn hatte sie mir auf meinen dringenden Wunsch gezogen, ich ihr einen Schneidemilchzahn bei einem wilden Singspiel ausgeschlagen. Man schlief grundsätzlich nicht mit Frauen, deren Milchzähne man aus dem Kiefer geholt hatte.
     
    Beatrix Bischoff, die Baby genannt wurde, seit das Kürzel BeBi auf einer Liste in der Grundschule aufgetaucht war und eine leicht zu amüsierende Grundschulklasse es fortan benutzte, war eine Frau, der man ihre sexuelle Orientierung schon im Kindergarten
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