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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN
Autoren: Unbekannter Autor
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und umfassten ihren Daumen wie einen Anker. Ein leises Quäken wurde wieder laut und sie wechselte den Säugling ohne nachzudenken zur anderen Brust.
    Dieses Mal war sie auf den hungrigen Ruck gefasst, mit dem das kleine Mädchen an der Quelle zog. Die unschuldige Gier rührte und entzückte sie zugleich.
    »Ich hatte so unendliche Angst, dass ich euch beide verliere«, wisperte sie, ohne die Augen von ihrer Tochter zu nehmen, und eine Träne löste sich von ihren Wimpern und rann über die blasse Wange.
    Justin beugte sich tiefer und küsste diese Träne mit äußerster Sanftheit von ihrer Haut. »Ich gehöre dir. Ich habe dir vom ersten Blick an gehört, auch wenn ich es nicht wahr haben wollte.«
    »Das heißt, du wirst bei uns bleiben?«, versicherte sich Roselynne mit einem letzten Rest von Misstrauen.
    »Wenn du es erlaubst«, entgegnete Justin d'Amonceux mit ungewohnter, neuer Demut.
    »Wie kannst du das fragen«, protestierte sie schwach. »Ich habe immer nur auf dich gewartet, seit Sophia-Rose dich freigegeben hat. Aber ich bin nicht so schön wie sie. Nicht so elegant und hoheitsvoll ...«
    »Wer sagt das? In meinen Augen ist Sophia nur eine hübsche Rothaarige mit launischem Temperament. Du aber bist die Sonne und der Mond, das Licht meines Lebens. Du hältst mein Herz in deinen Händen.«
    Ein Kichern stieg unwiderstehlich in Roselynnes Kehle auf. Eine Rothaarige mit launischem Temperament! Und das über Sophia-Rose of Aylesbury, die einzige Dame, die sogar König Rufus mit Wohlgefallen ansah! Wenn es noch einen Beweis dafür gab, dass Justin närrisch vor Liebe war, dann hatte er ihn soeben erbracht.
    »Würde es dir etwas ausmachen, mich richtig zu küssen?«, bat sie mit kehliger Stimme und hob ihm die zitternden Lippen entgegen.
    Justin d'Amonceux umfasste das zarte Antlitz seiner Gemahlin an den Schläfen und senkte seinen Mund auf den ihren. Zuerst wollte er sie nur mit sanfter Vorsicht berühren, aber Roselynne hatte anderes im Sinn. Sie kam ihm mit dem Hunger seiner Tochter entgegen. Sie wollte ihn nicht nur fühlen, sondern schmecken, besitzen und mit Haut und Haaren erkennen.
    »Heiliger Himmel, habt Ihr den Verstand verloren, Justin d'Amonceux? Das Mädchen hat eine lebensgefährliche Geburt hinter sich. Ihr müsst die Kleine in Frieden lassen! Männer! Pffft!«
    Der überaus verächtliche Laut, mit dem Dame Elisabetta de Cambremer diesen Ausruf krönte, ließ Roselynne und Justin auseinander fahren. Die junge Mutter sah mit einer Mischung aus Erstaunen und Vergnügen, dass der hochfahrende Edelmann schuldbewusst errötete. Sie schenkte ihm ein spitzbübisches Lächeln, bevor sie ihre Großmutter heiter ansah.
    »Guten Morgen, Großmama! Hört auf, den armen Justin zu schelten, ich wollte diesen Kuss von ihm! Wir konnten uns gestern schließlich nicht einmal richtig begrüßen.«
    »Der arme Justin, pffft!«
    Die alte Dame stützte sich auf ihren Stock und trat ein wenig schwerfällig näher. Erst jetzt entdeckte sie das Kind an Roselynnes Brust. Es schlief mit halb offenem Mündchen, sichtbar zufrieden an die Wärme spendende Mutter und die erfolgreich entdeckte Nahrungsquelle gekuschelt. Die winzigen Wangen rosig überhaucht und eine Faust noch immer um einen Finger seiner Mutter geklammert. Das friedliche Bild besänftigte die Dame, und sie strich ihrer Urenkelin mit großer Zartheit über die Wange.
    »Dem Himmel sei Dank, dass alles gut gegangen ist.«
    Dame Elisabetta bekreuzigte sich zufrieden, ehe sie ihre Aufmerksamkeit von neuem auf das Paar richtete; Roselynne durchscheinend blass und matt, aber lächelnd, ihr Gatte dagegen ein schmutziger Brigant reinsten Wassers. Dennoch hatte sie in den langen Jahren, seit sie ihn kannte, noch nie eine so vollkommene Ruhe und einen so deutlichen inneren Frieden mit sich selbst an ihm bemerkt. Er machte den Eindruck eines Mannes, der endlich nach Hause gefunden hatte.
    »Mir scheint, Ihr habt inzwischen doch das Alter erreicht, das es Euch erlaubt, den romantischen Helden zu spielen«, knüpfte sie an ein Gespräch an, das sie vor langer Zeit mit ihm geführt hatte. »Und ich kann Euch tatsächlich in der Schar meiner Enkel willkommen heißen. Was allerdings nicht bedeutet, dass ich die Art und Weise gutheiße, mit der Ihr dieses Ziel erreicht habt, Justin!«
    »Hört auf, mich anzubellen, verehrte Freundin«, entgegnete der Normanne mit einer winzigen Grimasse. »Ihr könnt mir nicht mehr grollen, als ich selbst es tue. Ich war ein ausgemachter
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