HERZ HINTER DORNEN
räusperte sich und schob alle Höflichkeit unwirsch zur Seite.
»Maud behauptet, es war am Tag vor ihrer Entführung, als sie die blutigen Laken in ihrem Bett gefunden hat. Stimmt das oder habt Ihr schon zuvor ...«
Sophia-Rose sah die tiefe Röte, die aus dem Hals des Ritters in seine Wangen kroch, und schwankte trotz aller Sorgen zwischen Belustigung und Mitgefühl. Ein solches Verhör von Seiten der Mutter der Geliebten gehörte sicher nicht auf die Liste der Dinge, die ein Mann erleben wollte.
»Es war das erste Mal, ja ...«, entgegnete er dennoch rau, ohne die Augen von Roselynne zu nehmen, die mit geschlossenen Lidern stöhnte.
»Also sind es im besten Fall knappe vier Wochen zu früh«, murmelte Lady Liliana und tauschte einen viel sagenden Blick mit der Wehmutter, die mit gefalteten Händen am Fußende des Alkovens stand und am Ende ihrer Weisheit zu sein schien.
Dann gab sie sich einen Ruck und bedeutete Justin mit einer Geste, sich zu erheben. »Auf dem Boden könnt Ihr nichts für sie tun.«
»Was aber kann ich für sie tun?«, fragte er verhalten, ohne den Blick von Roselynne zu nehmen.
»Sprecht mit ihr. Sagt ihr endlich die Wahrheit. Sagt Ihr, dass Ihr sie liebt und dass sie leben muss. Für Euch und das Kind. Wenn es Worte gibt, die sie von dem gefährlichen Abgrund zurückholen könnten, auf den sie zu taumelt, dann sind es diese!«
»Wisst Ihr, warum sie mir verschwiegen hat, dass sie ein Kind erwartet?«
Lady Liliana gab ein wenig damenhaftes Schnauben von sich. »Ihr hättet es selbst herausfinden können, wenn Ihr Euch besser um sie gekümmert hättet, statt sie zu Eurer Tante abzuschieben.«
»Ich hatte das Recht verwirkt, an ihrem Leben Anteil zu haben«, entgegnete er knapp. »Sie sollte nicht leiden, sondern endlich den Frieden finden, den sie sich so sehnlichst wünschte.«
»Roselynne wünschte sich keinen Frieden, sondern Liebe«, wisperte Sophia-Rose, die ihre Schwester nur zu gut verstand. »Sie wollte für ihr Kind einen Vater, der ihr von Herzen zugetan ist, und keinen, der nur bei ihr bleibt, weil Sitte und Anstand es von ihm verlangen.«
Der Normanne starrte sie an, ohne sie zu erkennen. Sie war für ihn nur eine Frau, die unangenehme Wahrheiten aussprach. Sein Leben würde nicht reichen, um die Schändlichkeiten zu bereuen, die er seiner Liebsten angetan hatte. Aber dafür war später Zeit. Jetzt galt es zu kämpfen. Für sie und für das Wesen, das eine Liebe krönte, die er so lange verleugnet hatte.
Er zögerte nicht, diesen wichtigsten Kampf seines Lebens aufzunehmen, sondern setzte sich auf die Kante des Alkovens und zog die halb besinnungslose Wöchnerin mit unendlicher Vorsicht in seine Arme. Er stützte sie, trocknete ihre Stirn und hielt ihre Hände, während er ununterbrochen auf sie einsprach. »Lass dir helfen, mein Herz. Du musst keine Angst haben, ich bin bei dir! Nimm meine Kraft und meinen Atem für unser Kind. Der Himmel wird nicht zulassen, dass ihm Böses geschieht, weißt du. Lass es zur Welt kommen, damit wir es lieben und behüten können, so wie ich dich lieben werde, solange noch ein Atemzug in meiner Brust ist ...«
Keine der Frauen konnte sagen, wie viel die halb ohnmächtige junge Mutter von all diesen Worten vernahm, die mit heiserer Stimme an ihr Ohr gemurmelt wurden. Aber im Laufe der Stunden hatte es doch den Anschein, als würde Roselynnes Widerstand schwächer und das tropfende Blut weniger.
Der Medicus kam erst, nachdem sich das Gewitter endlich entladen hatte, und er protestierte sofort heftig gegen die Anwesenheit des Ritters. Gleichwohl konnte er nichts für Roselynne tun, das die Wehmutter nicht ohnehin schon seit Stunden machte. Sie massierte den gespannten Leib mit warmem Öl, erfrischte die blassen Schläfen mit Kräutertinkturen, hielt die Fenster geschlossen, damit keine bösen Geister hereinkamen, und betete ununterbrochen.
»Es hat keinen Sinn«, seufzte der gelehrte Mann. »Holt den Priester, damit sie nicht unvorbereitet ihren letzten Weg antritt.«
»Nein!« Zum ersten Mal seit geraumer Zeit hob Justin den Kopf und nahm zur Kenntnis, was um ihn herum geschah. »Sie wird nicht sterben!«
»Das liegt nicht in Eurer Macht, Seigneur«, entgegnete der Medicus des Herzogs kapp. Es missfiel ihm, wie viel Menschen in dieser Wochenstube Dinge zu wissen glaubten, deren Kenntnis allein ihm zustand. »Die Dame ist erschöpft. Wenn das Kind nicht bald seinen Weg geht, dann ...«
»Hinaus!«
Alle schraken vor diesem einen
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