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Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!

Titel: Herr, erbarme dich! - Corin, J: Herr, erbarme dich!
Autoren: Joshua Corin
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Früh. Liebe war nie einfach.
    Was aber längst nicht bedeutete, dass nur sie allein darunter leiden musste.
    Sie klatschte ihrem Ehemann auf den Hintern. Zwei Mal, hart. Schließlich rührte er sich. Sah zu ihr hinüber, als ob sie ihm sein Nuckeltuch weggenommen hätte.
    „Unsere Tochter hat Frühstück gemacht“, wiederholte Esme.
    Rafes Blick aus blauen Augen (die im Moment überhaupt keine Ähnlichkeit mit denen seiner Tochter hatten, so matt wie sie waren) wanderte von Esme zum Wecker auf dem Nachttisch und dann zurück zu Esme.
    „Kenne ich euch überhaupt?“, murrte er.
    Sie pikte ihm spielerisch in den Bauch. „Ich liebe dich auch“, antwortete sie. „Jetzt lass uns in die Küche gehen, bevor Sophie sie abfackelt, okay?“
    Esmes Befürchtungen stellten sich als überflüssig heraus. Sophie hatte Müsli gemacht. Was bedeutete, dass sie ihre Lieblingsmarke (Count Chocula) in zwei Schüsseln geschüttet und in Milch ertränkt hatte. Sie hatte sogar Servietten, Gabeln und Löffel hingelegt. Für Messer hätte sie auch gesorgt, wenn es ihr nicht verboten gewesen wäre, die Schublade mit den Messern zu öffnen.
    Als Esme und Rafe in die Küche schlurften, stand ihre Tochter bereits am Tisch und platzierte gefaltete Karten aus rotem Tonpapier auf ihren Korbstühlen. Sie trug ihren rotweißen Schlafanzug mit kleinen Herzen und Pfeilen und Engeln in Windeln. Rote Kleidung ließ ihr kastanienbraunes Haar immer rötlich schimmern, als ob sie einen Hut aus Herbstblättern aufhätte.
    „Wollt ihr Orangensaft oder Grapefruitsaft?“, fragte Sophie.
    „Huhwahuh“, nuschelte Rafe.
    „Grapefruitsaft“, lächelte Esme. „Ich hol ihn.“
    Kurz darauf aßen alle drei ihr Frühstück. Esmes und Rafes Müsli war matschig, doch auch matschige Schokolade war noch Schokolade. Bei dem Bastelpapier auf den Stühlen handelte es sich um mit Leuchtstiften liebevoll bemalte Valentinskarten. Sie hatte Rafe mit Brille und gestutztem Bart gemalt. Nichts von beidem trug Rafe momentan. Die gemalte Esme hatte kleine Ohren. Sophie wusste genau, wie empfindlich ihre Mutter wegen ihrer Ohren war.
    „Komm her!“ Esme nahm ihre Tochter fest in den Arm.
    Rafe aß erst sein Müsli auf. Sein Frühstück bestand normalerweise aus einem alten Donut und einer Tasse löslichem Kaffee, beides im Pausenraum der sozialwissenschaftlichen Fakultät bereitgestellt. Zwar gab er vor, nach wie vor fast zu schlafen – er antwortete nur nuschelnd und gähnte übertrieben –, doch in Wahrheit amüsierte er sich königlich. Gedankenverloren strich er sich durch sein dünner werdendes schwarzes Haar und wünschte, diesen Moment für immer festhalten zu können … oder zumindest bis zum Ende des Semesters.
    Aber die Pflicht rief. Rafe ging unter die Dusche, während Esme in der Küche blieb, um Sophie bei den Valentinskarten für ihre Klassenkameraden zu helfen.
    „Aber Mom … Thad Crotty will ich keine geben! Er ist eklig.“
    „Warum ist er eklig?“
    „Er riecht wie eine Mülltonne.“
    „Wir sollten über andere Leute nicht urteilen, Sophie. Jeder ist einzigartig und anders. Wie eine Schneeflocke.“
    Sie steckten kleine Zuckerherzen in jeden der Miniumschläge – einen für jeden Klassenkameraden und einen für Mrs Leacy. Sophie dachte ausführlich darüber nach, wem sie welches Herz mit welcher Botschaft darauf zukommen lassen wollte. Als Rafe sich wieder zu ihnen gesellte, mit Brille und nun ganz der Professor, hatten Esme und Sophie erst die Hälfte geschafft.
    „Beeil dich besser, Kleines!“
    Morgens war Rafe Sophies Chauffeur. Normalerweise verließen sie das Haus um Viertel nach sieben. Esme schob Sophie in ihr Zimmer und half ihr dabei, das perfekte Outfit für den Valentinstag auszusuchen.
    In der Zwischenzeit steckte Rafe die restlichen Karten in die Kuverts. Sophie hatte ihm strikte Anweisungen erteilt. Er versuchte sich an die Valentinstage seiner Schulzeit zu erinnern, doch er konnte sich ja nicht mal mehr an die Namen seiner Lehrer erinnern. Im Juli wurde er vierzig, und das war eine Tatsache, die er leider keine Sekunde vergessen konnte.
    Esme kam zurück in die Küche.
    „Sophie bürstet sich das Haar“, grinste sie. „Dabei will sie allein sein.“
    „Ja, sicher.“
    Sie küssten sich. Zunächst kurz – doch dann wurde eine Minute daraus. Zwei Minuten. Hände berührten Hälse. Zerzausten das Haar des anderen. Drei Minuten.
    „Happy Valentine’s Day“, flüsterte Rafe.
    „Happy Valentine’s Day“, flüsterte
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