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Herr der Schlangeninsel

Herr der Schlangeninsel

Titel: Herr der Schlangeninsel
Autoren: Stefan Wolf
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war
Mittelpunkt des Schaufensters. Auf einem Regal lagen antiquarische Bücher,
Fächer, Miniaturen und Silberschmuck.
    Gaby hatte die Finger der linken Hand
aneinander gelegt und fächelte sich Kühlung zu.
    Tim trat neben sie und lächelte
verliebt.
    „Du siehst tadellos frisch aus, Pfote.
Die anderen Mädchen haben erhitzte Gesichter, deins ist schön wie immer. Und deine
Haut erinnert mich an warmen Jade.“
    Gaby hielt mit dem Fächeln inne und sah
ihn an.
    Sie trug weiße Bermuda-Shorts, stand
nacktfüßig in Sandalen und hatte ein blaues T-Shirt mit sehr kurzen Ärmeln
angelegt.
    „Spinnst du?“ erkundigte sie sich. „Was
heißt hier warmer Jade?“
    „In China ist das ein umwerfendes
Kompliment.“
    „Dann sag’s doch einer Chinesin.“
    „Komplimente mache ich nur dir.“
    „Der gute Wille rührt mich. Aber mit
angewärmtem Jade möchte ich nicht verglichen werden. Chungs Jade-Tiger liegt
dir offenbar schwer auf den grauen Zellen.“
    Tim hatte seinen Freunden erzählt,
weshalb die — über den Erdball verstreute — Sippe Li in heller Aufregung war.
Aber für die TKKG-Bande schien das nur eine Geschichte am Rand und würde sie —
wie alle vier meinten — nicht weiter beschäftigen.
    Wer rechnet denn auch mit den
verschlungenen und unergründlichen Wegen, die ein Jade-Tiger und ein
Meisterdieb in erpresserischer Absicht beschreiten?!
    Karl lehnte sich neben dem Schaufenster
an die Mauer und verschränkte die Arme.
    Tim wechselte seine Sporttasche in die
andere Hand und benutzte die leere als Fächer. Aber nicht für sich. Ein wahrer
Sturmwind pfiff Gaby um die goldblonden Haare, und der verrucht lange Pony hob
sich, ohne daß sie pusten mußte.
    „Hör auf, ich friere!“ lachte sie.
    Klößchen, der in karierten Bermudas
steckte, hatte sein Portemonnaie geöffnet und zählte den Inhalt.
    „Also“, sagte er, „Karin fordert 40
Mark. Ich werde sie, clever wie ich bin, auf 30 runter handeln. Wenn man
bedenkt, daß wir mit diesem Schatzplan vielleicht unermeßlichen Reichtum
erwerben können, sind 30 Mark nicht zuviel.“
    Tim spähte durchs Schaufenster in den
Lippscheck-Laden.
    Kein Kunde zu sehen.
    Nur Karin Lippscheck, deren Eltern der
Laden gehörte, stand im Hintergrund zwischen allerlei Trödel, lächelte,
polierte einen silbernen Gedeckteller und blickte her zu den TKKG-Freunden.
    Tim mochte das Mädchen nicht.
    Karin war zwölf, eher klein und dünn,
aber Klassenbeste der 7 a und auch Klassensprecherin. Sie hatte ein mageres
Gesicht mit dem wissenden Ausdruck einer 30jährigen. Das lange Haar wirkte
immer etwas unordentlich.
    Für seine Abneigung hatte Tim einen
guten Grund. Karin Lippscheck besaß nur eine Leidenschaft: Geld. In der
Internatsschule war sie deshalb verschrien. Ständig versuchte sie, mit Schülern
irgendwelche Geschäfte zu machen. Oft gelang ihr das auch. Und sie schnitt nie
schlecht dabei ab. Es gab fast nichts, das sie nicht beschaffen konnte. Von
Ersatzteilen für Fahrräder bis zu gebrauchten Schulbüchern, von verbilligter
Kosmetik für die Mädchen aus den höheren Klassen bis zu günstigen
Geschenkartikeln, mit denen die Internatsschüler zu Weihnachten oder zu
Geburtstagen ihre Eltern beglückten.
    Die dünne Karin war offenbar zur
Geschäftemacherin geboren. Sie schacherte den ganzen Tag; und diesmal, so
schien es, sollte Klößchen ihr Opfer werden.
    „Ich wiederhole“, sagte Tim: „Sie
versucht, dich reinzulegen. Der Schatzplan, den sie dir andrehen will, ist
garantiert wertlos, Willi. Oder glaubst du, sie würde dir etwas für 30 bis 40
Mark überlassen, was Reichtum verheißt. Nicht diese geldgierige Ziege!“
    „Sie ist widerwärtig geldgierig“,
nickte Gaby. „Aber nenn sie nicht Ziege. Ziegen sind nette Tiere.“
    „Hast recht“, sagte Tim. „Da hat sich
ein völlig falscher Sprachgebrauch eingeschliffen. An den allermeisten Tieren
ist nichts Verächtliches. Man darf sie nicht als Schimpfworte gebrauchen.“
    „Woher hat denn die geldgierige Karin
den Schatzplan?“ fragte Karl.
    Klößchen hob die Achseln. „Gefunden,
sagt sie. In einer alten Truhe. Weil sie, Karin, weiß, daß wir bald ins
Feriendorf auf die Insel Padoklion fliegen, hat sie mir das Angebot gemacht.
Denn der Schatzplan bezieht sich auf eine kleine Insel, die dort in der Nähe
liegt.“
    „Karin ist eine Betrügerin“, stellte
Karl fest. „Wahrscheinlich hat sie den Plan selbst gezeichnet — auf altes
Papier.“
    Tim starrte durch die
Schaufensterscheibe in den
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