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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich
Autoren: Sabine Neuffer
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Göttingen.« Er warf die Pilze in die Pfanne. »Soll ich dir was verraten? – Ich wollte heute mit den beiden in meinen Geburtstag hineinfeiern.«
    »Wie? Du hast morgen Geburtstag?«
    Er nickte. »Am 2. Januar. Ein saublödes Datum. Da hat niemand Lust zu feiern. Die meisten Leute sind froh, wenn sie bis dahin so halbwegs ihren Silvesterkater auskuriert haben, und jeder empfindet es als Zumutung, so kurz nach Weihnachten schon wieder nach Geburtstagsgeschenken zu suchen. Darum feiere ich lieber im Sommer, Halbzeit sozusagen. Mein Lebensfest nenne ich es. Das ist viel besser. Ich kann es immer aufs Wochenende legen.«
    »Und was machst du da? Große Party?«
    »Manchmal. Aber meistens lade ich nur ein paar gute Freunde zum Essen ein, das finde ich schöner. Ich koche gern, aber nicht für Massen.« Er gab etwas Knoblauch zu den Pilzen. Das kräftige Aroma verbreitete sich sofort in dem kleinen Raum. Die Wagenscheiben waren inzwischen beschlagen, ich saß in einer Wolke aus Dampf, Küchendüften und Pfeifentabak, süffelte andächtig den tiefroten Wein und fühlte mich himmlisch.
    »Hey, du träumst!« Der Teddy stellte einen Teller vor mich hin und reichte mir eine Gabel. Er hob sein Glas und schaute mich an. Die grünen Pünktchen hatten sich sonderbar vermehrt. Sie leuchteten. »Auf dich, schöne Helena.«
    »Auf deinen Geburtstag«, sagte ich.
    Er seufzte wohlig. »Vielleicht den besten, den ich je hatte?«
    Wir tranken einen Schluck Wein, und ich wandte mich dem Essen zu. Es war köstlich. Der Teddy war ein guter Koch. Ich aß langsam, genoss jeden Bissen. Schließlich schob ich den leeren, sorgfältig mit Brot gesäuberten Teller weg und leckte mir das Olivenöl von den Lippen. »Das war super. Besser als jedes Fünf-Sterne-Menü!«
    Der Teddy war längst fertig und grinste mich an. »Dir beim Essen zuzugucken ist wahrhaftig eine Freude. Da hast du keine Berührungsängste, was?«
    Ich lehnte mich zufrieden zurück und legte die Hand auf meinen Magen, der sich sanft unter dem Pullover wölbte. »Nein, das ist ja das Elend.« Ich lächelte reuig. »Ich werde dafür büßen müssen.«
    »Warum? Für mich siehst du perfekt aus.«
    »Ja, weil ich regelmäßig büße. Mit fettarmem Joghurt und rohen Karotten.«
    »Aber warum denn? Eine kleine Speckschicht ist doch etwas sehr Gemütliches!«
    »So was kann auch nur ein Mann behaupten! Außerdem – ich rede hier nicht von einer kleinen Speckschicht, sondern von Wülsten!«
    Er lachte. Es klang wie ein Bach, der über glatt polierte Steine rauschte.
    Irgendwie war das verrückt, oder? Da saß ich in einem ziemlich abgewrackten Wohnmobil auf einem Autobahnparkplatz – ich meine, es gibt eindeutig romantischere Orte auf dieser Welt –, draußen zeigte sich der Winter von seiner hässlichsten Seite, und ich hatte Sommergefühle.
    »Magst du einen Cappuccino?«, fragte der Teddy. »Also, so ein Pseudoding, aus der Tüte. Mehr kann ich dir nicht anbieten.«
    »Ein Tütencappuccino wäre phantastisch«, antwortete ich. Alles an diesem Abend war phantastisch. Ich war bis dahin zwar noch nie auf der Autobahn gestrandet und verfügte somit über wenig Erfahrungen in derartigen Situationen, doch ich war mir ziemlich sicher, dass man im Normalfall nicht eine solche Nacht wohlig warm mit einem leckeren Essen, einem ausgezeichneten Wein und heißem Cappuccino verbrachte. Der Regelfall war wohl eher der, dass man frierend und allein in seinem dunklen Auto hockte und verzweifelt nach den berühmten Gelben Engeln Ausschau hielt, die bei solch einem Wetter natürlich auch flügellahm waren.
    Mein Engel räumte den Tisch ab, stellte die Teller in das Spülbecken und setzte Wasser auf.
    »Soll ich dir helfen?«, fragte ich ohne großen Elan.
    »Nein, bleib mal schön sitzen. Zu zweit kann man sich hier eh kaum bewegen.« Er blätterte in dem Wust von Papieren, die er vorher mit den Büchern zur Seite geräumt hatte. Schließlich zog er ein etwas vergilbtes, zerknittertes Blatt hervor. »Hier, das habe ich vorhin in einem der Schränke gefunden und mir damit die Zeit vertrieben. Hast du Lust?«
    Er reichte mir das Blatt. Darauf standen lauter Fragen, noch auf einer alten Schreibmaschine getippt. Ich überflog sie kurz. »Das war mal in der FAZ oder so, stimmt's?«
    »Ich glaube, ja. Ich habe meine Antworten aufgeschrieben, wir können dann vergleichen.«
    Fragebögen haben eine unglaubliche Anziehungskraft auf mich. Keine Ahnung, warum, eigentlich bin ich nicht der Typ für besessene
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