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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich
Autoren: Sabine Neuffer
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man sich duzt«, erklärte er, nachdem wir feierlich getrunken hatten.
    Wenn er meinte. Ich blickte ihn erwartungsvoll an. Mal sehen, was er so auf Lager hatte an lockerer Konversation. Zunächst einmal griff er hinter sich in ein Regal und förderte eine Pfeife zutage. »Stört es dich, wenn ich rauche?«, fragte er und begann auch schon, sie zu stopfen.
    »Überhaupt nicht. Darf ich auch?«
    »Wenn's keine Zigarren sind!« Er grinste.
    Na, ein Feuerwerk an spritzigem Gedankenaustausch war das noch nicht. Ich kramte in meiner Tasche nach Zigaretten, zündete eine an und verfolgte, wie er bedächtig seine Pfeife in Gang setzte.
    »So.« Er blinzelte mich durch den Rauch an. »Jetzt bist du dran. Was machst du? Wo wohnst du?«
    Also doch! Er wollte mich ausfragen! Aber wahrscheinlich war es sein gutes Recht, er hatte sich mir schließlich auch anständig vorgestellt. »Ich bin Kinderbuchillustratorin. Und wohne in Hameln«, antwortete ich brav.
    »In Hameln? Ich kenne natürlich die Geschichte vom Rattenfänger, aber irgendwie habe ich mir nie vorgestellt, dass da auch richtige Leute leben«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
    Arrogante Sau! Bildete er sich etwa ein, »richtige Leute« lebten nur in Großstädten? »Also, Eppendorf ist ja auch nicht gerade der Nabel der Welt«, erklärte ich. »Richtige Leute leben sowieso nur in Hollywood!«
    Er lachte, laut und polternd. »Touché«, sagte er. »Und was für Kinderbücher illustrierst du?« Die Frage triefte vor Skepsis, so als habe er es sich gerade noch verkniffen, ›Pixi-Bücher?‹ hinterherzuschieben. – Ich hatte gute Lust, meinen Tee nicht auszutrinken, sondern mich postwendend mit frostigem Dank in die Allertaler Arktis zu stürzen, aber so viel Herablassung konnte ich nicht unwidersprochen stehen lassen. Leider bin ich nicht unbedingt der offensive Typ, denn dann wäre es ein Leichtes gewesen, ihm einfach die Fakten hinzuknallen: Mein Verlag! Meine Auflagen! Meine Kritiken!
    Stattdessen sagte ich mit der Bescheidenheit, für die ich mich manchmal verfluche: »Im Moment arbeite ich am sechsten Band einer Serie.« Oje, das klang aber nun verflixt nach Pixi-Büchern. Ich beeilte mich, diesen Eindruck zu entkräften: »Die Hauptfigur ist immer eine andere, aber jedes Mal ein Kind, das Probleme hat. Es wird von einem Zwerg aufgespürt und zu einer weisen Frau in einem Zauberwald gebracht. Sie nimmt sich des Kindes an, es erlebt die unglaublichsten Dinge bei ihr, und wenn es später in seine Welt zurückkehrt, hat es sich so verändert, dass es seine Probleme lösen kann.«
    Der Teddy war plötzlich wach und interessiert. Er vergaß, an seiner Pfeife zu ziehen, und beugte sich vor. »Sprichst du etwa von dem Zwerg Kasimir und Rosina in dem roten Kleid?«
    Ich nickte. Dass er meine Bücher kannte, versöhnte mich sofort mit ihm.
    »Dann bist du ...«, er stockte, »Helena Cornelius?«
    Ich nickte wieder. Zufrieden beobachtete ich, wie seine rotznäsige Arroganz verpuffte und einer gewissen Achtung Platz machte. Na also!
    »Echt?« Jetzt betrachtete er mich mit offenkundigem Respekt. Was mir gleich wieder ein bisschen unangenehm war. »Ich kenne alle deine Bücher! Du hast auch ›Das Marienkäferchen in der Apfelblüte‹ und ›Florian, der Grashüpfer‹ und die ›Engelschule‹ gemacht! Helena, die sind großartig! Ich habe sie alle für meine Nichte gekauft!«
    Ich starrte verlegen in meinen Tee. Natürlich freute es mich, wenn meine Bücher gefielen, und ich konnte Stunden damit verbringen, positive Rezensionen zu studieren, aber wenn ich dem Lobenden gegenübersaß, war mir das immer ein wenig peinlich. Dann musste ich dem Impuls widerstehen, sofort auf die Schwächen meiner Bilder hinzuweisen, einen unbeabsichtigten Farbverlauf hier, eine nicht wirklich gelungene Linie da ... Diesen Fehler hatte ich ganz am Anfang einmal gemacht, und mein Gesprächspartner, ein Redakteur der Zeitschrift »Eltern«, dachte, ich wolle unbedingt mehr Komplimente hören, und pries meine Bilder noch enthusiastischer. Das Interview nahm eine ziemlich groteske Wendung, wir gerieten fast in einen Streit, und ich werde heute noch rot, wenn ich daran denke. Seitdem neige ich bescheiden das Haupt, lächele dankbar und schweige, wenn man mich lobt.
    So auch jetzt. Als ich schließlich den Blick hob, sah der Teddy mich verwirrt an. »Das sind doch deine Bücher, oder?«
    »Ja, ja, natürlich. Weißt du, Gertrud Teichmann, die Autorin, ist eine tolle Frau. Wenn du sie siehst, du
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