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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß
Autoren: Sandra Busch
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verlässt meinen Intimbereich, dafür umklammern Noltes Finger meine untere Gesichtshälfte und die Klinge wird gegen mein zugeklebtes Lid gepresst. Nolte zieht mich dicht an sich heran. Die Knöpfe seines Hemdes drücken in meinen zerschnittenen Rücken. Es fühlt sich so an, als würde er mich wieder einmal als Schutzschild benutzen. Ich bin wie gelähmt, unfähig irgendwelchen Widerstand zu leisten.
    „Nehmen Sie das Messer herunter“, fordert die mir bekannte Stimme. Oliver, dämmert es mir langsam. Das ist Oliver Mahlberg. Der Fertigessen-Kriminalhauptkommissar. Nolte drückt die gefährliche Klinge fester gegen mein Auge. Der Geruch des tödlichen Stahls und meines eigenen Blutes dringt mir in die Nase. Ich habe gar nicht gewusst, dass beides ähnlich riecht.
    „Verschwinde!“, schreit Nolte. Seine Hand zittert, denn die Klinge kratzt bedrohlich über das Panzertape. Er wird mir sicherlich gleich das Auge ausstechen, gewollt oder ungewollt.
    „Lassen Sie den Mann los“, sagt Oliver. Hat er eine Waffe? Bestimmt. Ein Kriminalhauptkommissar geht garantiert nicht ohne Waffe aus dem Haus.
    „Schieß!“, krächze ich todesmutig in Noltes gefährlichem Griff und bekomme zur Strafe einen weiteren Schnitt direkt über dem Jochbogen verpasst. Warm läuft es an meiner Wange hinunter. Noltes Griff um mein Gesicht wird rutschiger.
    „Halt deine Klappe, oder ich bringe dich um“, zischt Nolte.
    „Ganz ruhig, Robin. Alles wird gut“, höre ich Oliver zuversichtlich sagen. Der Psychopath in meinem Rücken atmet lautstark. Er hechelt wie ein Bernhardiner an einem zu heißen Sommertag und ich registriere, wie das bedrohliche Messer bebt. Noltes Erektion ist zu einem weichen Wurm zusammengeschrumpelt, der gegen meine Hinterbacken schwingt.
    „Legen Sie endlich das Messer weg“, kommandiert Oliver erneut.
    „Du bekommst mich nicht!“, schreit Nolte wütend und ich zucke erschrocken zusammen. Sein Griff um mein Gesicht wirkt trotz des Blutes wie eine Stahlklammer.
    „Niemand wird mich lebend bekommen. Und Robin nehme ich mit. Schieß doch, Bulle!“, brüllt der Irre provozierend. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Ich bemerke, wie sich Nolte anspannt, und wappne mich gegen den bestimmt gleich folgenden Biss der Klinge.
    „Messer fort!“, ruft Oliver und in derselben Sekunde kracht ein Schuss. Feuchtigkeit klatscht auf mich herab, als Nolte gegen mich prallt. Die Klinge rutscht über das Tape und fällt herunter, wobei der Messergriff harmlos meinen Arm streift. Ich höre das Master Cutlery auf den Beton klimpern. Im nächsten Augenblick werde ich zur Seite gerissen. Etwas schlägt dumpf neben mir zu Boden. Und dann umschlingen mich vertraute Arme. Bos knebelgedämpftes Brummen an meiner Wange übertönt mein heftig hämmerndes Herz.
    „Keine Angst, Robin. Es ist alles in Ordnung. Hab einen Moment Geduld, du bist sofort frei“, sagt Oliver irgendwo in meiner Nähe und ruft: „Louisa, alarmiere einen Krankenwagen und die Kollegen. Wir kommen auf der Stelle zu dir rauf.“
    Einen Moment später spüre ich Olivers Hände, die sich an dem Panzertape in meinem Gesicht zu schaffen machen. Schutzsuchend schmiege ich mich in Bos Arme. Dabei berührt etwas Metallisches, das er in den Fingern hält, meinen zerschundenen Rücken. Ich beachte es nicht weiter, denn alles, was im Moment zählt, ist mein atmender, lebendiger und hoffentlich unversehrter Mann.
    „Das wird ein bisschen weh tun“, sagt Oliver warnend, gibt sich allerdings alle Mühe, mir nicht allzu viele Haare auszureißen, als er das Tape abzieht. Meine Haut fühlt sich wund an, wo sich das Gewebeband ablöst und sicherlich büße ich auch ein paar Wimpern und einen Teil der Brauen ein. Endlich kann ich wieder sehen, obwohl meine Augen nach der erzwungenen Dunkelheit zu tränen beginnen. Immer noch zitternd blicke ich zu Bo auf und in dieses unvergleichliche Weintraubengrün, das sein Gesicht dominiert. Bos Mund ist noch mit Panzertape zugeklebt und Oliver bemüht sich soeben ihn davon zu befreien, damit mich Bo nicht freigeben muss. Wenig später schnappt Bo erlöst nach Luft, nur um mich gleich als Nächstes mit wunden Lippen zu küssen.
    „Dot“, flüstert er voller Erleichterung und presst mich so heftig an sich, dass ich Atemnot bekomme. Hinter uns räuspert sich Oliver.
    „Wir sollten hier raus“, sagt er. Ich schaue mich nach Nolte um und entdecke ihn keinen Meter von mir entfernt am Boden. Sein halber Schädel ist weggerissen. Es
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