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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl
Autoren: Bärbel Böcker
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Köpfen vor dem Kölner Dom auf und ab. Florian vermutete, dass sich die meisten von ihnen im Innern des Bauwerks auch das moderne, von Gerhard Richter gestaltete Südquerhausfenster angesehen hatten. Seit seiner Enthüllung im Jahr 2007 spaltete das Mosaik die Gemüter. Die einen bezeichneten es als Scherbenhaufen, die anderen feierten es als Symphonie des Lichts. Für ihn war es ein wundervolles Kunstwerk, das die Farben des Doms auf einzigartige Weise widerspiegelte. Während er aus dem Hotel hinausblickte, fiel ihm auf, dass die Touristen heute einen sehr entspannten Eindruck machten und sich mit erstaunlicher Leichtigkeit bewegten. Das lag mit Sicherheit an den Sonnenstrahlen und dem blauen Himmel.
    Garcia hatte sich nicht mehr bei ihm gemeldet. Wahrscheinlich hatte er längst von Alex’ Festnahme gehört und sonnte sich in dem Bewusstsein, wieder unangefochtener Bandenchef von Bickendorf zu sein. Florian sah auf die Uhr. Fresemann müsste jeden Moment eintreffen.
    Nach der Internetrecherche über Frazer Chemicals hatte er sich mit Jörg Fresemann verabredet. Jetzt wippte er nervös mit dem Fuß auf und ab und dachte daran, dass sein Vater erstaunlich schnell dazu bereit gewesen war, sich mit ihm zu treffen.
    Als er den Raum betrat, war Florians erster Gedanke, dass er verdammt gut aussah. Vital und attraktiv, und das mit Mitte 60. Kein Wunder, dass seine Mutter sich in ihn verliebt hatte. Er beobachtete ihn genau, auch seine Bewegungen erinnerten nicht an die eines älteren Mannes. Als Fresemann näher kam, behielt seine Miene einen neutralen, unverbindlichen Ausdruck, und Florian fand kein Anzeichen dafür, dass er irgendetwas von seiner Vaterschaft wusste.
    Sie tauschten ein paar Begrüßungsfloskeln aus, und nachdem Fresemann sich etwas bestellt hatte, plauderten sie über das Wetter, Marie-Louises verstauchten Fuß und gemeinsame Bekannte aus dem Tennisklub. Irgendwann jedoch fragte Fresemann: »Du wolltest mich doch wohl nicht treffen, um Belanglosigkeiten auszutauschen?«
    Florian wurde ernst. »Nein. Ich habe eine Frage an dich, aber sie könnte dich durchaus in deiner Position als Geschäftsführer von Fresko in Bedrängnis bringen.«
    »Schieß einfach los.«
    »Wurde das Glutamatderivat, das ihr in eurem Frischkäse verarbeitet, mithilfe von gentechnischen Verfahren hergestellt?«
    Fresemann seufzte. »Dreh mir bitte keinen Strick daraus, ja?«
    »Nein.«
    Er zögerte noch etwas, sagte dann aber: »Du hast recht, das Glutamat ist mithilfe gentechnischer Verfahren hergestellt worden, aber wie wir alle längst wissen, ist das überhaupt kein Problem. Sämtliche Untersuchungen belegen es.«
    »Darum geht es mir auch gar nicht«, erwiderte Florian. »Ich will nicht erneut die Wirkung infrage stellen, sondern von dir wissen, woher das Glutamatderivat stammt. Stellt ihr es selbst her?«
    »Wo denkst du hin. Da gibt es ganze Konzerne, die sich auf so was spezialisiert haben. Wir beziehen das Glutamat von einer Firma in Mainz.«
    »›Agrotecc Laboratories‹?«
    »Richtig. Die forschen in großem Stil und vertreiben gentechnisch veränderte Zusatzstoffe im Auftrag der amerikanischen Muttergesellschaft, die auch die Patentrechte daran hält. Sie lassen sich das übrigens gut bezahlen.«
    »Als der Frischkäse noch unter Verdacht stand, für die ominösen Krankheitsfälle verantwortlich zu sein, habt ihr da bewusst verschwiegen, dass es sich beim Glutamatderivat um einen gentechnologisch veränderten Zusatzstoff handelt?«
    »Nein. Wir haben die Tatsache lediglich nicht vor uns her getragen, denn wir wollten die Öffentlichkeit nicht verrückt machen, wie du dir denken kannst. Du kannst dir vielleicht vorstellen, was das für einen Aufruhr verursacht hätte. Außerdem ist die Verwendung von gentechnisch veränderten Zusatzstoffen in Nahrungsmitteln in Deutschland absolut legal und nicht deklarationspflichtig.«
    »Von der Allergie und dem Durchfall einmal ganz abgesehen«, sagte Florian.
    Jörg Fresemann ließ sich nicht beirren. »Auch Vitamin B2, die Vitamine B12, C und E, bestimmte Enzyme in Backmischungen, oder das Lab-Enzym in Käse, sie alle können mithilfe gentechnischer Verfahren hergestellt werden, unterliegen aber nicht der Kennzeichnungspflicht. Noch nicht.«
    »Ich kaufe mir also Vitaminbrausetabletten und nehme vielleicht, ohne dass ich es weiß, gentechnisch veränderte Substanzen zu mir? Esse Frischkäse oder Schokolade, und erfahre nicht einmal, dass sie gentechnisch verändertes Glutamat
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